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Von klimatischer Eil- und Schneckenpost

Erde|Umwelt

Von klimatischer Eil- und Schneckenpost
Eisbohrkerne haben Einblicke in das antarktische Klima während der Eiszeit gewährt. (Credit: Heidi Roop)

Sie sind maximal weit voneinander entfernt und doch sind die beiden Polregionen klimatisch eng miteinander verknüpft, dokumentiert erneut eine Studie: Der Nordatlantik sendet demnach klimatische „Nachrichten“ sowohl auf einem schnellen atmosphärischen, als auch auf einem langsamen ozeanischen Weg. Diese zweigleisige Kommunikation hat in der letzten Eiszeit zu deutlichen Klimaveränderungen in der Antarktis geführt, geht aus der Analyse von Eisbohrkernen hervor. Die Ergebnisse können nun der Erforschung der Effekte des aktuellen Klimawandels dienen, sagen die Forscher.

Viele Faktoren spielen eine Rolle: Immer wieder zeigt die Forschung, wie ausgesprochen komplex das Klimasystem der Erde ist und welche weitreichenden Folgen Veränderungen haben können. Klar ist, dass die Wärmeverteilung auf unserem Planeten maßgeblich von den großräumigen Meeresströmungen bestimmt wird. Eine der wichtigsten ist die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC), die umgangssprachlich oft als Golfstrom bezeichnet wird. Sie transportiert warmes Oberflächenwasser bis in den hohen Norden und strömt von dort anschließend als kaltes Tiefenwasser wieder nach Süden. Dort beeinflusst sie das Klima der Antarktis, die wiederum ebenfalls eine große Bedeutung für das Klima und den Meeresspiegel der Erde hat. Schon lange steht die AMOC deshalb im Blick der Klimaforscher. Noch immer gibt es allerdings viele Unklarheiten über die zweifellos große Rolle dieser Strömung für das globale Klimageschehen und auch für die Entwicklungen im Rahmen der aktuellen Erderwärmung.

Klimatischer Kommunikation auf der Spur

Vor diesem Hintergrund sind die Forscher um Christo Buizert von der Oregon State University in Corvallis nun der Frage nachgegangen, wie sich abrupte Änderungen der AMOC-Strömung in den vergangenen 60.000 bis 12.000 Jahren auf das Klima in der Südpolregion ausgewirkt haben. Wie sie erklären, war die AMOC während der letzten Eiszeit normalerweise sehr schwach und bescherte dem Nordatlantik deshalb eisige Bedingungen. In 25 Fällen verstärkte sich die Strömung aus ungeklärten Gründen jedoch kurzzeitig intensiv, so dass sich Grönland innerhalb eines Jahrzehnts um bis zu 15 Grad erwärmte. Diese sogenannten Dansgaard-Oeschger-Ereignisse sind aus der Untersuchung von grönländischen Eisbohrkernen bekannt.

Um zu untersuchen, wie sich diese Ereignisse auf das Klima in der Antarktisregion ausgewirkt haben, verglichen die Forscher die Daten zu den Dansgaard-Oeschger-Ereignissen mit ihren neuen Erkenntnissen aus dem Süden. Um das dortige Klima im Verlauf der Eiszeit zu rekonstruieren, haben sie Eisbohrkerne von fünf verschiedenen Standorten in der Antarktis untersucht. Die Schichten in diesen Proben ließen sich anhand von Vulkanasche-Spuren zeitlich zuordnen. Rückschlüsse auf die einstigen Temperaturverhältnisse in der Antarktis ermöglichten wiederum Isotopenanalysen des Wassers in den Eisschichten der Bohrkerne.

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Zwei unterschiedliche Effekte

Wie die Forscher berichten, geht aus den Untersuchungsergebnissen hervor: Wenn sich Grönland im Rahmen der Dansgaard-Oeschger-Ereignisse erwärmte, änderte sich das Klima in der Antarktis auf der anderen Seite der Welt gleich zweimal. Durch die global veränderten atmosphärischen Bedingungen entfernten sich die westlichen Winde um die Antarktis vom Land, was in einigen Teilen der Antarktis zu Erwärmung und in anderen zu Abkühlung führte, berichten die Forscher. Der zweite Effekt der Erwärmung im Norden kam hingegen stets deutlich verzögert: „Wenn das Meer Wärme in den Norden überträgt, beginnt sich der Rest des globalen Ozeans abzukühlen. Zu sinkenden Temperaturen in der Antarktis hat dieser Effekt allerdings immer erst nach 200 Jahren geführt“, sagt Buizert. Umgekehrt verhält es sich den Forschern zufolge ebenso: Wenn es im Norden wieder kälter wurde, hat sich das im Süden schnell auf die Winde ausgewirkt und 200 Jahre später kam dann der Effekt durch die Meeresströmungen hinterher. „Die atmosphärische Verbindung zwischen Nord und Süd ist wie eine flotte Eilpost während die ozeanische eher der Schneckenpost ähnelt“, so der Klimaforscher.

Wie er und seine Kollegen erklären, können die Informationen über die Ereignisse der Vergangenheit nun wichtige Hinweise auf die Entwicklungen geben, die der heutige Klimawandel auslösen könnte. Aktuell ist eine Abschwächung der AMOC im Rahmen der Erderwärmung zu verzeichnen, die vermutlich auf Einträge von Schmelzwasser im Bereich Grönlands zurückführen ist. Wie sich dieser Effekt nun in der Südpolregion genau auswirken wird, bleibt fraglich, doch zunächst ist den aktuellen Ergebnissen zufolge wohl mit veränderten Windmustern zu rechnen. „Die atmosphärische Eilpost ist unterwegs – die Schneckenpost allerdings auch“, so Buizert.

Quelle: Oregon State University, Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0727-5

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