Danach wiesen die Wissenschaftler alle Teilnehmer an, eine Hand so lange wie möglich in einen Eimer mit Wasser zu halten. Bei den Mitgliedern der Schmerz-Gruppe und der Kontrollgruppe enthielt der Eimer Eiswasser, wohingegen die Probanden der Nicht-Schmerz-Gruppe handwarmes Wasser vorgesetzt bekamen. Parallel dazu sollten alle Teilnehmer mit der nicht im Eimer steckenden Hand so viele Büroklammern wie möglich einzeln von einer Schachtel in eine andere legen.
Diese Versuche brachten drei wesentliche Ergebnisse, berichten die Forscher. Erstens: Wer sich vor dem Test das eigene unmoralische Verhalten vor Augen geführt hatte, hielt seine Hand länger in den Eiswasser-Eimer als diejenigen, die lediglich über eine Alltagssituation nachgedacht hatten. Zweitens verstärkte das Bewusstsein für das eigene Fehlverhalten das Schmerzempfinden – die Angehörigen der Schmerz-Gruppe bewerteten den durch das Eiswasser ausgelösten Schmerz als stärker als die Mitglieder der Kontrollgruppe. Und drittens – last but not least ? verringerte der empfundene Schmerz die Schuldgefühle, die der Gedanke an das eigene unkorrekte Verhalten zuvor ausgelöst hatte. Bei der Nicht-Schmerz-Gruppe, bei der es keine kompensierenden Schmerzen gab, blieb das Schuldbewusstsein unbeeinflusst.
Schmerz hat damit also tatsächlich eine Art reinigende Wirkung, schließen die Wissenschaftler. Man kann ihn demnach als eine Art psychologische Währung verstehen, die man in die Waagschale werfen kann, um das gestörte Gleichgewicht im Gerechtigkeitsgefühl auszugleichen. Dabei scheint der Schmerz gleich mehrere Funktionen zu erfüllen, glauben die Forscher: Zum einen ist er der Preis, durch dessen Zahlung man seine moralische Reinheit wiederherstellen kann. Zweitens signalisiert er anderen die eigene Reue und zeigt, dass man bereit ist, diesen Preis zu zahlen. Und drittens ist das Ertragen von Schmerz ein Zeichen der eigenen Stärke und hilft, das positive Selbstbild wiederherzustellen.