Auch natürlicherweise unterscheiden sich die Böden verschiedener Standorte in ihren Säuregraden. Die Pflanzen und Bodenorganismen dort haben sich an die jeweiligen Bedingungen angepasst. Doch Säureeinträge durch den Menschen haben in vielen Gebieten die PH-Werte aus dem Toleranzbereich geschoben, in dem sich natürlich ansässige Lebewesen wohl fühlen. Das bekommt ihnen schlecht: Die Vitalität der Bäume und Boden-Organismen sinkt, der Wald schwächelt und kann damit auch seine Funktion als Wasserspeicher schlechter erfüllen.
Wald mit Sodbrennen
Manche Waldgebiete haben besonders stark mit den Altlasten aus den 1980er-Jahren zu kämpfen, da die Böden dort natürlicherweise eine geringe Pufferkapazität gegenüber Säure besitzen. Ganz verschwunden ist auch der menschengemachte Säureeintrag nicht: Die Belastungen durch Schwefeldioxid-Emissionen sind zwar stark zurückgegangen, doch noch immer gehen große Mengen Stickstoffverbindungen auf den Wald nieder und verursachen weiterhin eine schleichende Versauerung.
Um zu hohe Belastungen zu neutralisieren, wird in betroffenen Waldgebieten bereits seit den 1980er-Jahren Kalk ausgebracht – meist vom Hubschrauber aus. Durch solche kohlensauren Magnesiumkalke soll die Pufferfähigkeit der Waldböden langfristig wieder stabilisiert werden. Was dabei geschieht: Säuren sind Verbindungen, die Protonen (H+) an Reaktionspartner übertragen. Der Magnesiumkalk, der aus Kalzium- und Magnesiumkarbonat besteht, bildet in Verbindung mit Wasser und Kohlendioxid ein Puffersystem, das die Protonen binden und damit die Säure neutralisieren kann. Nach seiner Auflösung stellt der Kalk dem Boden zudem Kalzium und Magnesium als Nährstoffe zur Verfügung. Dies, so hofft man, kommt letztlich auch der Bodenqualität zugute.
Nach wie vor ist Kalken an vielen Standorten nötig. Davon ist Reinhard Müller von der Düngekalk-Hauptgemeinschaft (DHG) überzeugt: „Dem Wald geht es von außen betrachtet vermeintlich gut, aber die Schäden im Boden sehen wir eben nicht. Die Aussagen der Waldzustandsberichte der Länder über die Böden zeigen auf, dass wir aktiv eingreifen müssen, nicht nur um Schlimmeres zu verhindern, sondern um die Gesundheit der Böden möglichst vollkommen wieder herzustellen.“ Dieser Ansicht sind auch viele unabhängige Experten der zuständigen Behörden und Forschungseinrichtungen in Deutschland. „Durch die Bodenschutzkalkung wird ein naturnaher Versauerungszustand und Nährelementhaushalt der Waldböden wiederhergestellt“, konstatiert beispielsweise die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg.
Kein unbedenkliches „Hau-Drauf-Mittel“
Die Meinungen zum Thema Kalken gehen in Deutschland allerdings durchaus auseinander: Vor allem die Forstexperten Bayerns erkennen die Problematik der Bodenversauerung und die Wirkung von Waldkalkungen zwar an, vertreten aber einen zurückhaltenden Standpunkt: Es sollte nur dort gekalkt werden, wo Bäume bereits Mangelsymptome zeigen. Die zuständigen Behörden der meisten anderen Bundesländer verfechten hingegen einen eher vorsorgenden Ansatz. Hier wird bereits gekalkt, wenn ein kritischer Zustand des Waldbodens erreicht ist.
Einig ist man sich darüber, dass Kalk kein unbedenkliches „Hau-Drauf-Mittel“ ist. Es hat eine starke Wirkung und deshalb gilt wie in der Medizin auch: Eine eindeutige Diagnose muss die Behandlung rechtfertigen, und mögliche Risiken und Nebenwirkungen sind zu beachten. Regenerations-Kalkung heißt das Stichwort: Das Bodenmilieu sollte durch die Maßnahmen den Ausgangsbedingungen angenähert werden, um den natürlich vorkommenden Arten wieder gute Lebensbedingungen zu bieten. Bleibt man diesem Ziel konsequent treu, kann dies die deutschen Wälder stärken – und fit machen für die nächste menschengemachte Herausforderung: den Klimawandel.
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung von Naturkalk der Düngekalk-Hauptgemeinschaft. |
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Quellen:
- Forschungsplattform Waldwissen.net
- Waldkalkung von Naturkalk
- Merkblatt „Bodeschutzkalkung“ der Abteilung Boden und Umwelt von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg