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Wann die Gefäßpflanzen das Land eroberten

Erde|Umwelt

Wann die Gefäßpflanzen das Land eroberten
Pflanzen
Auskeimende Gefäßpflanzen. © amenic181/ iStock

Die Besiedlung der urzeitlichen Landmassen durch die ersten Pflanzen war ein Meilenstein der Erdgeschichte. Doch wann die ersten höheren Pflanzen diesen Schritt schafften, war bislang unklar. Jetzt liefern Analysen von Quecksilber-Isotopen in urzeitlichen Sedimenten in Südchina neue Hinweise. Sie zeigen, dass die eng mit landlebenden Gefäßpflanzen verknüpfte Isotopensignatur schon zu Beginn des Silur vor rund 444 Millionen Jahren deutlich erkennbar ist. Demnach könnten sich die ersten Gefäßpflanzen schon zu jener Zeit stark auf den Landflächen ausgebreitet haben – rund 14 bis 25 Millionen Jahre früher als bisher aufgrund von Fossilfunden angenommen. Damit könnten die tiefgreifenden Veränderungen durch die Landvegetation schon früher eingesetzt haben als gedacht.

Das erste Leben entstand vermutlich im Meer oder zumindest in einem von Wasser geprägten Lebensraum. Erst nach hunderten Millionen Jahren der Evolution begannen die ersten Lebewesen, auch die Landflächen der Urerde zu kolonisieren. Die ersten landbewohnenden Organismen waren dichte Matten bildende Mikroorganismen, gefolgt von Pilzen, dann folgten die ersten Pflanzen in Form von moosähnlichen Gewächsen. Genomanalysen und Rekonstruktionen des Stammbaums mithilfe der molekularen Uhr legen nahe, dass dieser Schritt bei den Moosen schon vor rund 515 Millionen Jahren geschah. Fossilien dieser fragilen ersten Landvegetation sind jedoch nicht erhalten, die frühesten fossilen Nachweise stammen aus dem Silur vor rund 426 Millionen Jahren. Nach den Moosen eroberten dann auch die ersten Gefäßpflanzen das Land – höhere Pflanzen mit spezialisierten Leitbündeln und Wurzeln, die ihnen ein größeres Wachstum und mehr Toleranz gegenüber Trockenheit verliehen.

Quecksilber-Isotope als Indizien

Doch wann sich die ersten Gefäßpflanzen an Land ausbreiteten, ist bislang strittig. Während einige Forscher die Entstehung der ersten vaskulären Landpflanzen auf Basis von DNA-Vergleichen bereits auf die Zeit vor rund 470 Millionen datieren, gehen andere davon aus, dass es erst im späten Silur, möglicherweise sogar erst im Devon eine ausgedehnte Gefäßpflanzen-Vegetation an Land gab. Die ältesten eindeutig bestimmbaren Fossilien von landlebenden Gefäßpflanzen sind rund 420 Millionen Jahre alt. Um diese Diskrepanz zu klären, haben nun Wei Yuan von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen nach indirekten Indizien für die Präsenz höherer Pflanzen an Land gesucht. “Solche indirekten Fingerabdrücke von Landpflanzen in Form von anorganischen und organischen geochemischen Markern können in Sedimenten gefunden werden”, erklären sie.

Einer dieser Marker sind Quecksilber-Isotope – Atomvarianten dieses bei Raumtemperatur gasförmigen Metalls werden mit Luftströmungen über weite Strecken verteilt. Pflanzen nehmen im Zuge ihrer Photosynthese immer auch Quecksilberatome mit der Luft auf. Zwar sind auch im Regen- und Grundwasser Quecksilber-Isotope enthalten, Studien belegen jedoch, dass Pflanzen bevorzugt das atmosphärische Quecksilber in ihre Gewebe einbauen. Als Folge dieses selektiven Einbaus enthalten sie weniger Quecksilber-199 und Quecksilber-200 als beispielsweise Wasserpflanzen oder geologische Quellen. Wenn Landpflanzen absterben, gelangt das für sie typische Isotopenverhältnis in den Boden und mit dem Sediment auch in Gewässer und das Meer. “Die Einträge von Quecksilber aus terrestrischer Pflanzenbiomasse können daher die normalerweise in marinen Sedimenten vorkommenden positiven Signaturen dieser Quecksilber-Isotopen überprägen”, erklären Yuan und seine Kollegen. Für ihre Studie haben sie daher die Quecksilber-Isotope in ehemals marinen Sedimenten in Südchina untersucht, die in der Zeit vor 550 bis 250 Millionen Jahren abgelagert wurden.

Grüne Präsenz schon am Übergang zum Silur

Die Analysen ergaben, dass die Sedimente aus dem frühen Kambrium bis zum mittleren Ordovizium vor rund 460 Millionen Jahren die normalen, hohen Anteile der Quecksilber-Isotope 199 und 200 enthielten – wie zu erwarten war. “Die Entwicklung der marinen Wirbellosen und anderer Mikroorganismen in dieser Zeit verursachte keine Veränderungen in den Quecksilber-Signaturen der Meeressedimente”, berichten die Forscher. An Land entwickelten sich zwar schon die ersten Moose, diese hinterließen wegen ihres langsamen Wachstums und langsamer zunehmender Biomasse aber noch keine deutlichen Spuren in den Isotopenwerten. Das aber änderte sich vor rund 450 Millionen Jahren: “Das Intervall vom späten Ordovizium bis zum Silur ist durch den Beginn einer signifikant negativen Quecksilber-Isotopen-Signatur gekennzeichnet”, so Yuan und seine Kollegen. “Wir sehen diese Signatur im Zusammenhang mit der schnellen Kolonisierung und darauf folgenden Ausbreitung der Landpflanzen. Weil Gefäßpflanzen rascher wachsen, mehr Biomasse produzieren und schneller wieder absterben, transportieren sie mehr atmosphärisches Quecksilber-199 und -200 in die terrestrischen Reservoire.”

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Nach Ansicht der Wissenschaftler sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass es schon vor rund 444 Millionen Jahren eine Gefäßpflanzen-Vegetation an Land gab. “Unsere Daten demonstrieren, dass Landpflanzen die terrestrischen Ökosysteme schon zur Zeit des Übergangs vom Ordovizium zum Silur tiefgreifend beeinflussten – auch wenn aus dieser Zeit bisher kaum pflanzliche Makrofossilien bekannt sind”, konstatieren Yuan und sein Team. Sollte sich dies bestätigten, dann eroberten die Gefäßpflanzen die irdischen Landflächen rund 14 bis 25 Millionen Jahre früher als auf Basis von Fossilfunden angenommen. Zudem dauerte es offenbar nicht erst bis in das Devon, bis die Gefäßpflanzen eine dichte Vegetationsdecke ausgebildet hatten. “Um eine so lange erkennbare Spur in den Quecksilbersignaturen der marinen Sedimente zu hinterlassen, müssen diese terrestrischen Pioniere schon vor Beginn des Devon weit verbreitet gewesen sein – zumindest in küstennahen und flussnahen Gebieten der niedrigen Breiten wie in Südchina”, schreiben die Forscher.

Quelle: Wei Yuan (Chinese Academy of Sciences, Guiyang) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.ade9510

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