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Warum die Europäischen Flusskrebse vor dem Aus stehen

Erde|Umwelt

Warum die Europäischen Flusskrebse vor dem Aus stehen
Flusskrebs
Der Europäische Edelkrebs (Astacus astacus) ist heute vom Aussterben bedroht. (Bild: Anders Asp)

Wirtschaft vor Naturschutz: Der Europäische Flusskrebs steht vor dem Aussterben – die Krebspest und ein vom Menschen absichtlich eingeführter invasiver Konkurrent haben seine Bestände drastisch dezimiert. Wie aber konnte es dazu kommen? Ein Forscherteam hat untersucht, warum in den 1960er Jahren nordamerikanische Flusskrebse nach Europa gebracht wurden und weshalb man damals entscheidende Informationen über ihn ignorierte.

Die ganze Geschichte beginnt im Jahr 1860. In diesem Jahr wird erstmals beobachtet, dass Europäische Flusskrebse (Astacus astacus), auch Edelkrebse genannt, in großer Anzahl sterben. Verantwortlich ist ein Scheinpilz, der die – zumindest für die europäischen Krebse tödliche – Krebspest verursacht. Rund einhundert Jahre später, 1960, hatte die Krankheit die Bestände der Edelkrebse bereits beträchtlich dezimiert.

Fatale Fehlentscheidung

Um den Verlust zu kompensieren, wurde deshalb unter anderem in Finnland, Schweden, Österreich und Spanien der nordamerikanische Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) in Flüssen und Seen ausgesetzt. Er schien immun gegenüber der Krebspest zu sein. Heute hat der Signalkrebs die Oberhand in Europas Gewässern, er wurde mittlerweile in 28 europäischen Ländern nachgewiesen. Dem Europäischen Flusskrebs geht es dagegen schlechter als je zuvor, er ist inzwischen vom Aussterben bedroht.

Mitschuld am Niedergang des heimischen Flusskrebses ist der neu eingeführte Signalkrebs: „Der Einwanderer ist zwar gegen die meisten Krebspest-Erregerstämme resistent, aber er kann den Erreger übertragen. Als man die Tiere massenhaft ausgesetzt hat, hat man dem Edelkrebs daher gleichsam den Todesstoß verpasst“, sagt Kathrin Theissinger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Universität Koblenz-Landau. „Brisant ist, dass der Signalkrebs nicht zufällig in europäische Gewässer gelangt ist, sondern bewusst und wiederholt trotz wissenschaftlicher Bedenken eingebracht wurde und wird“.

Kommerzielle Interessen im Vordergrund

Wie aber konnte es zu einer solchen Fehlentscheidung kommen? Gemeinsam mit Kollegen hat Theissinger untersucht, was hinter der Einführung des nordamerikanischen Krebses stand. Der erste Grund war ein rein wirtschaftlicher, wie das Team ermittelte: Weil Flusskrebse eine begehrte Speise sind, gingt es bei der Einführung der Signalkrebse vor allem darum, diese kommerziell einträgliche Ressource zu erhalten. Der Fang der ausgesetzten und sich alsbald entwickelnden Wildbestände der Signalkrebse sollte die wirtschaftlichen Verluste durch den Wegfall der einheimischen Krebse ersetzen. Langfristige ökologische Folgen der Aussetzung einer gebietsfremden Art wurden dem untergeordnet.

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Hinzu kam, dass falsche und verzerrte Informationen über die nordamerikanischen Krebse vermittelt wurden. „Es wurde nicht kommuniziert, dass Pacifastacus leniusculus den Erreger der Krebspest an einheimische Arten übertragen kann, und wiederholt behauptet, dass Signalkrebse – im Gegensatz zu den einheimischen Arten – gegen den Krebspest-Erreger immun wären“, berichtet Theissinger. Das aber war nicht der Fall und so wurde der eingeführte Krebs zum Multiplikator der Krebsseuche. Für viele Flussökosysteme in Europa könnte diese Entwicklung fatal sein: „Flusskrebs ist nicht gleich Flusskrebs. Die ökologischen Unterschiede gebietsfremder Arten sind oftmals mannigfaltig und der Effekt auf das Ökosystem schwer zu prognostizieren“, erklärt Theissinger.

Am Europäischen Flusskrebs sei ersichtlich, dass es mehr schade als nütze, gebietsfremde Arten einzuführen, um verlorene Bestände einheimischer Arten zu ersetzen, betont das Forschungsteam. Was aber kann man tun, um die Europäischen Flusskrebse vielleicht doch noch zu retten? Wie die Wissenschaftler erklären, wäre es dafür wichtig, die Aussetzung, den Fang sowie den Verkauf gebietsfremder Krebse als Lebensmittel in Europa zu verbieten. Zudem sollten Populationen der gebietsfremden Krebse beobachtet und – soweit möglich – neue Populationen ausgerottet werden. Auch eine stärkere Aufklärung sei wichtig: „Wir, die Gesellschaft, müssen unsere Umwelt stärker als Ganzes wahrnehmen und ein funktionierenden Ökosystems wertschätzen. Um das Aussterben des Europäischen Flusskrebses abzuwenden, muss man wohl eher beim Menschen als bei den Krebsen ansetzen“, so Theissinger.

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen; Fachartikel: Frontiers in Ecology & Evolution, doi: 10.3389/fevo.2021.648495

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