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Warum uns Lügen nicht schmecken

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Warum uns Lügen nicht schmecken
Wenn eine ungerechte Entscheidung sprichwörtlich einen „schlechten Beigeschmack hat“, ist das mehr als eine reine Metapher: Unmoralisches Verhalten, speziell eine unfaire Behandlung, ruft laut einer Studie kanadischer Forscher den gleichen Ekel hervor wie ein widerlicher Geschmack. Beides aktiviert ein evolutionär sehr altes Programm, bei dem sich das Gesicht auf eine ganz typische Weise verzerrt ? die Oberlippe wird hochgezogen und die Nase gerümpft. Moralische Konzepte, so komplex sie auch sein mögen, könnten demnach aus einem grundlegenden Instinkt des Menschen entstanden sein: dem Versuch, giftige oder ungenießbare Nahrung zu vermeiden. Im Lauf der Zeit habe sich das Ekelkonzept dann auf weniger direkte Auslöser und schließlich sogar auf abstrakte Zusammenhänge ausgeweitet, schreiben die Forscher.

Ekel gilt wie Ärger, Freude und Trauer als eine der Basisemotionen, deren Ausdruck weltweit in praktisch allen Kulturen gleich ist. Entstanden ist er ursprünglich wohl als Abwehrreaktion auf bitteren Geschmack: Da dieser häufig auf eine giftige Substanz hindeutet, sollte das Ekelgefühl dazu beitragen, diese Substanz in Zukunft möglichst zu meiden. Später erwies sich diese Vermeidungstaktik auch in anderen Lebensbereichen als nützlich, und das Konzept wurde auf weniger direkte Reize wie potenzielle Krankheitsüberträger ? beispielsweise Insekten, Körperausscheidungen oder Nahrungsmittel, deren Herkunft zweifelhaft war ? übertragen. Diese lösten dann ebenfalls den Start einer Art Ekelprogramm aus, das zum Verziehen des Gesichts und einem instinktiven Zurückweichen führt.

Eine sehr ähnliche Reaktion tritt ein, wenn sich Menschen ungerecht behandelt fühlen, konnten die Forscher jetzt zeigen. Dazu verabreichten sie Freiwilligen unangenehm schmeckende Flüssigkeiten, zeigten ihnen Bilder von abstoßenden Objekten und ließen sie schließlich an einem Spiel um Geld teilnehmen, bei dem sie abhängig von einem echten oder simulierten Mitspieler waren. In allen Fällen reagierten die Muskeln im Gesicht, die die typische Ekelmiene erzeugen, etwa gleich: Je ausgeprägter das subjektive Gefühl der Probanden ? eindeutiger Ekel in den ersten beiden Fällen, die Reaktion auf eine ungerechte Geldzuweisung im letzteren ?, desto heftiger bewegten sich die Muskeln. Zudem deuteten die Teilnehmer auf die Bitte, ihre Gefühle während des Spiels ohne Worte mit Hilfe von Bildern von Gesichtsausdrücken zu beschreiben, vor allem auf ein Foto eines angeekelten Gesichts.

Offenbar hat sich das Konzept des Ekels im Lauf der kulturellen und biologischen Evolution nicht nur auf konkrete Auslöser ausgeweitet, sondern auch auf Verhaltensweisen und moralische Vorstellungen, schließen die Forscher. Sie vermuten, das Vermeidungsverhalten, das mit Ekel einhergeht, habe sich bei unmoralischem Verhalten als nützlicher erwiesen als etwa die Annäherung bei einer wütenden Konfrontation: Wer sich unfair verhält, wird gemieden und so aus dem überlebenswichtigen sozialen Verbund ausgeschlossen.

Hanah Chapman (Universität von Toronto) et al.: Science, Bd. 323, S. 1222 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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