Die für Alzheimer typischen Eiweißablagerungen im Gehirn können sich ähnlich verhalten wie Prionen. Das hat ein internationales Forscherteam in einer Studie an genetisch veränderten Mäusen gezeigt, die im Alter zu einer alzheimerähnlichen Krankheit neigen. Wurde diesen Tieren ein Extrakt aus Gehirngewebe verstorbener Alzheimerpatienten direkt ins Gehirn injiziert, entwickelten sie bereits nach wenigen Wochen ebenfalls die typischen Ablagerungen. Die verabreichten Plaque-Proteine aus dem Gehirngewebe fungieren demnach als eine Art Keim, um den herum sich die neuen Ablagerungen bilden ? genauso, wie sich bei Krankheiten wie BSE rund um die infektiösen Erregereiweiße weitere Prionproteine anlagern. Im Gegensatz zu den Prionenerkrankungen gibt es jedoch bei Alzheimer bislang keinen Hinweis darauf, dass die Krankheit übertragbar ist, berichten die Forscher.
Bei der Alzheimer-Krankheit bilden sich im Gehirn der Betroffenen falsch gefaltete Versionen eines körpereigenen Proteins namens Amyloid-beta oder kurz Abeta. Diese Eiweißfragmente lagern sich zusammen und zerstören mit der Zeit die Nervenzellen und ihre Kontaktstellen im Gehirn. Ähnlich entstehen auch Prionenerkrankungen wie der Rinderwahnsinn BSE oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Auch hier verursacht die ungewöhnlich gefaltete Variante eines körpereigenen Eiweißes die Bildung von Proteinablagerungen, die schließlich zum Untergang von Nervenzellen führt.
Die neuen Ergebnisse von Mathias Jucker von der Universität Tübingen und seinen Kollegen deuten nun sogar darauf hin, dass die Ähnlichkeiten noch viel ausgeprägter sind als bislang angenommen. Wie die Mäusetests mit den Gehirnextrakten zeigen, kann auch das Abeta-Protein die Plaquebildung auslösen, wenn es von außen zugeführt wird ? ebenso, wie es Prionen tun. Wird das Protein dagegen biochemisch oder chemisch aus den Extrakten entfernt, verliert die Mischung die Fähigkeit, die Ablagerungen zu verursachen. „Wir wissen allerdings bisher noch nicht, ob ? vereinfacht gesagt ? die verdrehten Moleküle andere Eiweißmoleküle verdrehen, wie es Prionen tun, oder ob sie sich irgendwo festsetzen und sich dann nach und nach körpereigene Proteine darauf ablagern“, erklärt Jucker gegenüber wissenschaft.de.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch die prionartigen Eigenschaften von Abeta zu Alzheimer-Infektionenen kommt, hält Jucker für extrem unwahrscheinlich. „Bisher gibt es überhaupt keinen Hinweis darauf, dass so etwas funktioniert“, so der Forscher. Er erhofft sich von den neuen Ergebnissen vielmehr weitere Erkenntnisse darüber, wie die Alzheimerkrankheit entsteht. „Wenn man genau identifizieren könnte, welche Abeta-Formen krank machen und welche der Körper braucht, könnten sehr viel gezieltere und damit auch schonendere Therapien entwickelt werden“.
Mathias Jucker ( Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, Universität Tübingen) et al.: Science, Bd. 313, S. 1781 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel