Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Was die Ohren über gleichwarme Tiere verraten

Erde|Umwelt

Was die Ohren über gleichwarme Tiere verraten
Säugetiervorläufer
So könnte ein früher warmblütiger Säugetiervorläufer ausgesehen haben. © Luzia Soares

Seit wann gibt es warmblütige Tiere? Dieser Frage haben sich Forscher nun auf ungewöhnliche Weise genähert: anhand einer Untersuchung der Innenohrgänge. Diese sind bei gleichwarmen Tieren enger als bei wechselwarmen. Den Ergebnissen zufolge traten die ersten wechselwarmen Tiere vor rund 233 Millionen Jahren auf – etwa 33 Millionen Jahre vor der Entstehung der Säugetiere. Etwa zeitgleich entwickelte sich auch das Fell, das neben den angepassten Stoffwechselwegen die Regulation der Körpertemperatur unterstützt.

Anders als alle anderen Tiere auf der Welt haben Säugetiere und Vögel ein System entwickelt, ihre Körpertemperatur durch ihren eigenen Stoffwechsel zu regulieren und weitgehend konstant zu halten, ohne auf Wärmequellen in ihrer Umgebung angewiesen zu sein. Sie sind endotherm, also gleichwarm. Das ermöglicht es ihnen, in unterschiedlichen Umgebungen zu leben und sich weiter und schneller fortzubewegen als ektotherme, also wechselwarme Tiere. Die Frage, wann die Endothermie in der Evolutionsgeschichte der Säugetiere zum ersten Mal auftrat, ist jedoch nach wie vor schwierig zu beantworten. Fossilien konnten dabei bislang nur sehr begrenzt weiterhelfen, da sich die Körpertemperatur der seit Jahrtausenden ausgestorbenen Tiere nicht mehr messen lässt und das Skelett allenfalls indirekt auf den Aktivitätsgrad schließen lässt.

Den Ohren trauen

Ein Team um Ricardo Araújo von der Universität Lissabon in Portugal hat nun einen neuen Ansatz verfolgt, um diese Frage zu klären: Die Forscher untersuchten die Bogengänge im Innenohr von 341 lebenden und ausgestorbenen Tieren, darunter Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Sauriern. „Bisher wurden die Bogengänge im Allgemeinen dazu benutzt, auf die Fortbewegung fossiler Organismen zu schließen“, erklärt Co-Autor Romain David vom Natural History Museum in London. „Durch eine sorgfältige Untersuchung ihrer Biomechanik haben wir jedoch herausgefunden, dass wir sie auch zur Bestimmung der Körpertemperatur nutzen können.“

Die Idee dabei: In den Gehörgängen befindet sich eine Flüssigkeit, die Endolymphe, die durch ihre Bewegung Signale für das Gleichgewichtsorgan liefert. Ähnlich wie Honig ist die Endolymphe bei höheren Temperaturen dünnflüssiger als bei kälteren. „Daher waren während des Übergangs zur Endothermie morphologische Anpassungen erforderlich, um optimale Leistungen aufrechtzuerhalten“, so David: Die Gehörgänge wurden bei gleichwarmen Tieren enger. „Diese Anpassung konnten wir bei den Vorfahren der Säugetiere nachverfolgen.“

Entwicklung zeitgleich mit dem Fell

Die Forscher stellten fest, dass sich die Geometrie der Innenohrkanäle vor etwa 233 Millionen Jahren bei einigen Tieren änderte – ein deutlicher Hinweis darauf, dass deren Körpertemperatur wärmer wurde. Den Autoren zufolge passen die Änderungen zu einem Anstieg der durchschnittlichen Körpertemperatur um etwa fünf bis neun Grad Celsius. Auf langfristig höhere Außentemperaturen kann diese Änderung nicht zurückgehen: Zur damaligen Zeit, in der späten Trias, herrschten instabile Klimabedingungen mit eher kühleren Temperaturen.

Anzeige

Frühere Forschungen gingen davon aus, dass die ersten Schritte auf dem Weg zur Warmblütigkeit schon vor rund 252 Millionen Jahren begannen, andere Studien dagegen nahmen an, die ersten gleichwarmen Tiere seien vor rund 200 Millionen Jahren die ersten Säugetiere gewesen. Die aktuelle Studie zeigt nun, dass die Endothermie bei den Vorfahren der Säugetiere etwa zeitgleich mit dem Fell aufkam – eine plausible Verknüpfung, da das Fell dabei half, die durch den erhöhten Stoffwechsel erzeugte Körpertemperatur zu speichern.

Schnelle Evolution

Aus geologischer Sicht entwickelte sich das neue Merkmal in überraschend kurzer Zeit: „Entgegen der gängigen wissenschaftlichen Meinung zeigt unsere Arbeit überraschenderweise, dass die Entwicklung der Endothermie in weniger als einer Million Jahren, stattgefunden zu haben scheint“, sagt Araújo. „Es handelte sich nicht um einen allmählichen, langsamen Prozess über Dutzende von Millionen Jahren, wie bisher angenommen, sondern möglicherweise um einen schnellen Prozess, der durch neuartige säugetierähnliche Stoffwechselwege und die Entstehung von Fell ausgelöst wurde.“

Quelle: Ricardo Araújo (Universität Lissabon, Portugal) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-04963-z

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

März|be|cher  〈m. 3; Bot.〉 zur Gattung der Amaryllisgewächse gehörende Pflanze der feuchten Laubwälder, Gebüsche u. Wiesen, blüht März – April mit glockigen, weißen Blüten: Leucojum vernum; Sy Frühlingsknotenblume … mehr

Or|ga|no|lo|gie  〈f. 19; unz.〉 1 〈Biol.; Med.〉 Lehre von den Organen 2 〈Mus.〉 Lehre vom Instrumentenbau … mehr

Eis|bär  〈m. 16; Zool.〉 Angehöriger einer der größten Arten der Bären, lebt in der Arktis fast ausschließlich von Fischen u. Seehunden: Thalarctos maritimus

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige