Die Folgen von extremem psychischen Stress und Missbrauch in der frühen Kindheit lassen sich im Immunsystem noch nach Jahren nachweisen. Das haben US-Forscher bei der Untersuchung von Kindern zwischen 9 und 14 Jahren gezeigt, die als kleine Kinder missbraucht worden waren oder ihre ersten drei Lebensjahre in Waisenhäusern in Rumänien, Russland oder China verbracht hatten. Die extrem gestressten Kinder zeigten im Vergleich zu in stabile Verhältnisse hineingeborenen Altersgenossen höhere Werte von Antikörpern gegen ein bestimmtes Herpesvirus, was als Anzeiger für eine Belastung des Immunsystems gilt.
Die Forscher hatten für ihre Studie insgesamt 34 Kinder untersucht, die in ihrer frühen Kindheit missbraucht worden waren und aus diesem Grund Betreuung oder Beratung in Anspruch genommen hatten. Untersucht wurden außerdem 41 Kinder aus osteuropäischen und chinesischen Waisenhäusern, die jedoch bereits seit einigen Jahren in amerikanischen Adoptivfamilien lebten. Eine Gruppe von 80 weiteren Kindern ohne eine solche belastende und traumatische Vorgeschichte diente zur Kontrolle.
Die Wissenschaftler nahmen bei den Kindern Speichelproben und bestimmten die Konzentration der Antikörper gegen das Herpes-Simplex-Virus 1 (HSV-1). Mit diesem häufigen Erreger ist ein Großteil der Bevölkerung infiziert, ohne Symptome zu entwickeln, da das Virus normalerweise vom Immunsystem in Schach gehalten wird. Erst wenn das Immunsystem durch eine weitere Erkrankung oder extremen Stress geschwächt ist, können sich Symptome beispielsweise in Form von Bläschen und offenen Stellen am Mund ausbilden. Ist die Zahl der Antikörper gegen dieses Virus hoch, so deutet dies auf eine Belastung des Immunsystems hin.
Bei den Kindern mit traumatischen Erlebnissen in der frühen Kindheit beobachteten die Forscher auch nach Jahren in stabilen Verhältnissen noch erhöhte Werte bei den Antikörpern. Dies lasse darauf schließen, dass die Prägung, die das Immunsystem durch extremen Stress in den ersten Lebensjahren erhalte, sich auch im späteren Leben noch auswirke, erklären die Wissenschaftler.
Elizabeth Shirtcliff (Universität von Wisconsin): PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0806660106 ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald