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Wie Bienen das Tanzen lernen

Erde|Umwelt

Wie Bienen das Tanzen lernen
Honigbienen
Honigbiene beim Schwänzeltanz (Mitte). © Heather Broccard Bell

Der Schwänzeltanz bei Honigbienen basiert nur zum Teil auf angeborenem Verhalten. Eine Studie zeigt, dass auch soziales Lernen eine wichtige Rolle für die Bienen spielt, wenn es darum geht, Richtung und Entfernung einer Futterquelle korrekt zu kodieren. Bienen, die nie erfahrene Individuen beim Schwänzeltanz beobachten konnten, tanzen zwar selbst auch, vermitteln die Signale aber ungenau und fehlerhaft. Obwohl die Tänze mit zunehmender Erfahrung genauer werden, bleiben manche Fehler das gesamte Bienenleben über bestehen.

Um Schwarmgenossinnen Informationen über den genauen Standort und die Qualität einer Nahrungsquelle mitzuteilen, führen Honigbienen komplexe Signalbewegungen aus. Beim sogenannten Schwänzeltanz krabbeln sie mit hoher Geschwindigkeit in achtförmigen Schleifen im Bienenstock und wackeln dabei mit dem Hinterleib. Die Länge und der Winkel der Schleifen kodieren die Flugentfernung und -richtung zum Ziel. Dabei zeigen verschiedene Bienenarten und sogar verschiedene Völker der gleichen Art in verschiedenen Regionen leicht unterschiedliche Muster, weisen also offenbar in der Verständigung Dialekte auf.

Jungbienen ohne Vorbilder

Unklar war bislang, ob der Schwänzeltanz ein vollständig angeborenes Verhalten ist, oder ob dabei, ähnlich wie bei anderen komplexen Kommunikationsformen, auch soziales Lernen eine Rolle spielt. Wäre das Verhalten vollständig angeboren, dürfte es keinen Unterschied machen, ob eine junge Honigbiene vor ihrem ersten Schwänzeltanz andere Bienen beim Tanzen beobachten konnte. Um das zu testen, untersuchte ein Forschungsteam um Shihao Dong von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Yunnan Bienenvölker, die ausschließlich aus neu geschlüpften Tieren bestanden.

„Normalerweise haben junge Sammlerinnen die Gelegenheit, von älteren Individuen zu lernen“, erklären Dong und sein Team. „Im Alter von acht Tagen beginnen sie, erfahrenen Schwänzeltänzerinnen zu folgen, und mit zwölf Tagen tanzen sie erstmals selbst.“ In den für das Experiment geschaffenen Bienenvölkern hatten die Jungbienen dagegen keine Vorbilder, denen sie folgen konnten. Dennoch begannen auch sie zu tanzen – in Einklang mit der Erkenntnis, dass die grundlegende Veranlagung für den Schwänzeltanz angeboren ist.

Lebenslange Fehler

Doch während Jungbienen aus Kontrollvölkern, die sich an älteren Tieren orientieren konnten, von Anfang an die richtigen Bewegungen ausführten, hatten die vorbildlosen Jungbienen damit Probleme: „Bienen, die nicht die Möglichkeit hatten, Tänzerinnen zu folgen, bevor sie zum ersten Mal selbst tanzten, produzierten deutlich mehr ungeordnete Tänze mit größeren Winkeldivergenzen und kodierten die Entfernung falsch“, berichtet das Forschungsteam.

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Würden sich diese Fehler im Laufe des Bienenlebens ausgleichen, wenn die Individuen mehr Erfahrungen sammelten? Um das herauszufinden, beobachteten Dong und seine Kollegen die Bienen erneut 20 Tage später, gegen Ende ihrer rund sechswöchigen Lebensspanne. „Wenn dieselben Bienen älter waren und Erfahrungen mit dem Tanzen und dem Verfolgen von Tänzerinnen gesammelt hatten, verringerten sie die Fehler bei den Richtungsangaben erheblich und produzierten geordnetere Tänze. Allerdings waren sie nie in der Lage, eine normale Entfernungscodierung vorzunehmen“, berichtet Dong. Ihr Leben lang gaben diese Bienen zu große Entfernungen zur Futterquelle an.

Kritische Phase des sozialen Lernens

Obwohl die Bienen also die Defizite im Laufe der Zeit teilweise durch Erfahrungen ausglichen, behielten sie bestimmte Fehler bei. Das deutet aus Sicht der Forscher darauf hin, dass es zu Beginn des Bienenlebens eine kritische Phase gibt, in der die Feinheiten des Schwänzeltanzes durch soziales Lernen erworben werden. In dieser Zeit wird auch der volksspezifische Dialekt vermittelt. Jungbienen, denen diese Gelegenheit fehlte, entwickelten eine Art eigenen, fehlerhaften Dialekt, den sie ihr Leben lang beibehielten.

Doch warum nutzen Bienen überhaupt soziales Lernen, um die angeborene Verhaltensweise des Schwänzeltanzes zu verfeinern? „Lernen ist ein nützlicher Weg, um Verhaltensweisen an lokale Bedingungen anzupassen“, erklärt das Forschungsteam. „Wir vermuten, dass die einzigartige Topologie des Tanzbodens eines jeden Bienenvolkes es für Anfängerinnen vorteilhaft macht, von erfahreneren Tänzerinnen zu lernen. Eine andere Möglichkeit ist, dass erfahrene Tänzerinnen Entfernungsangaben auf der Grundlage des lokalen optischen Flusses an Schwarmgenossinnen weitergeben.“

Bedrohung durch Pestizide?

In zukünftigen Studien möchte das Team genauer erforschen, welche Rolle die Umwelt bei der Entstehung der Bienendialekte spielt. Offen ist auch die Frage, inwieweit äußere Bedrohungen, etwa Pestizide, den Spracherwerb der sozialen Insekten stören. „Wir wissen, dass Bienen sehr intelligent sind und bemerkenswerte Leistungen erbringen können“, sagt Co-Autor James Nieh von der University of California in San Diego. „Mehrere Veröffentlichungen und Studien haben gezeigt, dass Pestizide die kognitiven Fähigkeiten und die Lernfähigkeit von Honigbienen beeinträchtigen können. Daher könnten Pestizide ihre Fähigkeit beeinträchtigen, zu lernen, wie man kommuniziert, und möglicherweise sogar die Art und Weise verändern, wie diese Kommunikation an die nächste Generation von Bienen in einem Bienenvolk weitergegeben wird.“

Quelle: Shihao Dong (Chinesische Akademie der Wissenschaften, Kunming, Yunnan, China) et al., Science, doi: 10.1126/science.ade1702

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