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Wie Braunalgen dem Klima helfen

Erde|Umwelt

Wie Braunalgen dem Klima helfen
Braunalgen
Braunalgen sind in gemäßigten und kalten Breiten an felsigen Küsten verbreitet. © Hagen Buck-Wiese/ MPI für Marine Mikrobiologie

Braunalgen nehmen große Mengen Kohlendioxid aus der Luft auf und speichern es in Form organischer Verbindungen. Eine Studie zeigt nun, dass eine dieser Verbindungen, genannt Fucoidan, besonders stabil ist und als langfristige Kohlenstoffsenke dienen kann. Schätzungen zufolge könnten Braunalgen in der Lage sein, weltweit pro Jahr bis zu 0,55 Gigatonnen Kohlendioxid in Form von Fucoidan aus der Atmosphäre zu entfernen. Damit leisten sie einen bislang unterschätzten Beitrag zum Klimaschutz.

Eine der wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen besteht darin, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid zu verringern. Zusätzlich loten Forscher verschiedene Möglichkeiten aus, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Neben technischen Möglichkeiten kann insbesondere die natürliche Photosynthese der Pflanzen dabei helfen. Die Pflanzen wandeln mit Hilfe von Sonnenlicht Kohlendioxid in Zucker um, aus dem sie wiederum zahlreiche weitere organische Verbindungen herstellen. Nach dem Tod der Pflanze gelangt der gespeicherte Kohlenstoff allerdings mit der Zeit durch Zersetzung oder Verbrennung des organischen Materials wieder in die Atmosphäre. In manchen Fällen allerdings lässt sich dieser Prozess deutlich hinauszögern – etwa, wenn das organische Material auf den Meeresgrund sinkt oder tief im Boden vergraben wird.

Algenschleim im Fokus

Ein Team um Hagen Buck-Wiese vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen hat nun untersucht, in welchem Maße Braunalgen zur globalen Verringerung des CO2-Gehalts der Atmosphäre beitragen. „Es ist bekannt, dass Braunalgen mehr CO2 aufnehmen als die Wälder an Land, und die Braunalgen-Biomasse gilt als potenzielle Kohlenstoffsenke“, erklären die Forscher. Einen Teil des aufgenommenen Kohlenstoffs nutzen die Algen für ihr Wachstum, einen anderen Teil geben sie wieder an das Meerwasser ab, beispielsweise in Form zuckerhaltiger Ausscheidungen. Je nachdem, wie diese Ausscheidungen aufgebaut sind, werden sie entweder schnell von anderen Organismen genutzt, sodass der gebundene Kohlenstoff wieder frei wird, oder sie sinken Richtung Meeresgrund.

„Die Ausscheidungen der Braunalgen sind sehr komplex und daher unglaublich kompliziert zu messen“, sagt Buck-Wiese. „Es ist uns aber gelungen, eine Methode zu entwickeln, um sie detailliert zu analysieren.“ Einen Fokus legten die Forscher dabei auf die Verbindung Fucoidan. Aus dieser Kohlenstoffverbindung bilden die Algen eine Schleimschicht, mit der sie ihre Oberfläche gegen äußere Einflüsse schützen. Frühere Studien haben gezeigt, dass Fucoidan unter anderem antibakteriell wirkt und außerdem in Reaktion auf erhöhten Salzgehalt des umgebenden Wassers zunimmt. Für die Klimaforschung ist es jedoch aus einem anderen Grund interessant: „Das Fucoidan ist so komplex, dass es nur schwer für andere Organismen nutzbar ist. Keiner scheint es zu mögen“, erklärt Buck-Wiese. Statt also nach kurzer Zeit wieder in die Atmosphäre zu gelangen, kann der im Fucoidan gespeicherte Kohlenstoff auf den Meeresgrund sinken. „Die Braunalgen sind dadurch besonders gute Helfer, um Kohlendioxid langfristig – für Hunderte bis Tausende von Jahren – aus der Atmosphäre zu entfernen“, so Buck-Wiese.

Ausscheidungen analysiert

Wie viel Fucoidan die Algen jedoch produzieren und wie groß somit dieser Beitrag zum Klimaschutz ist, war bislang unbekannt. „Die hohe Löslichkeit von Fucoidan und seine Lage an der Grenzfläche zwischen Alge und Wasser legen nahe, dass Fucoidan ständig neu gebildet werden muss“, so die Forscher. Doch wie viel macht es tatsächlich aus? Um diese Frage zu beantworten, haben Buck-Wiese und sein Team in der Ostsee im Südwesten Finnlands Braunalgen in Form des Blasentangs (Fucus vesiculosus) gesammelt und ihre Ausscheidungen mit verschiedenen Analysemethoden untersucht.

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Das Ergebnis: „Wir fanden heraus, dass die Braunalge Fucus vesiculosus 0,3 Prozent ihrer Biomasse pro Tag als Fucoidan abgibt“, berichten Buck-Wiese und sein Team. „Unserer Analyse zufolge macht Fucoidan beim Blasentang bis zu 50 Prozent des gesamten ausgeschiedenen gelösten organischen Kohlenstoffs aus.“ Der Vorteil dabei: „Da die Fucoidan-Sekretion nur aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Schwefel besteht, werden keine Nährstoffe verbraucht, so dass die Kohlenstoffbindung unabhängig vom Algenwachstum erfolgt.“

Großes Potenzial für den Klimaschutz

Den Forschern zufolge sind Braunalgen somit in der Lage, große Mengen CO2 langfristig aus dem globalen Kreislauf zu entfernen und so der Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Kombiniert man die neuen Berechnungen mit Schätzungen dazu, wie viel Kohlenstoff Braunalgen jährlich aufnehmen, ergibt sich, dass sie jedes Jahr 0,55 Gigatonnen CO2 in Form von Fucoidan binden. Zum Vergleich: Laut Schätzungen des Umweltbundesamtes betrugen die gesamten CO2-Emissionen Deutschlands im Jahr 2020 etwa 0,75 Gigatonnen.

„Auf ein Jahr hochgerechnet, binden die Algen mehr Kohlenstoff im sekretierten Fucoidan als in ihrer Biomasse“, schreiben die Forscher. „Der globale Nutzen der Fucoidan-Sekretion ist ein alternativer Weg für den Abbau von Kohlendioxid durch Braunalgen, ohne dass die Algenbiomasse geerntet oder vergraben werden muss.“ Da die aktuelle Studie lediglich eine Braunalgenart an einem Standort einbezogen hat, ist allerdings noch unklar, ob sich die Ergebnisse tatsächlich generalisieren lassen. „Als nächstes wollen wir schauen, wie es bei anderen Braunalgenarten und an anderen Standorten aussieht“, sagt Buck-Wiese. „Das große Potenzial der Braunalgen für den Klimaschutz gilt es unbedingt weiter zu erforschen und zu nutzen.“

Quelle: Hagen Buck-Wiese (Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2210561119

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