Ein britisch-amerikanisches Forscherteam hat entdeckt, wie das Gehirn Konzepte entwickelt, um Gesehenes ordnen und verstehen zu können: Entdeckt ein Beobachter ein gemeinsames Muster in verschiedenen Situationen, extrahieren in seinem Gehirn eines der wichtigsten Erinnerungszentren und ein Entscheidungsmodul sozusagen im Team diejenigen Eigenschaften heraus, die die gemeinsame Essenz bilden, und abstrahieren sie. Durch diese Gemeinschaftsarbeit entsteht ein allgemeines Schema, dem anschließend die verschiedensten Dinge oder Erlebnisse zugeordnet werden können. So hat beispielsweise niemand Probleme, sowohl einen Pudel als auch die völlig anders aussehende Dogge sofort als Hund zu erkennen, weil beide Vertreter des gleichen Konzepts sind.
Man habe zwar mittlerweile recht gut verstanden, wie einzelne Erfahrungen oder auch der Wert individueller Handlungen abgespeichert werden, erläutern die Wissenschaftler. Wie daraus jedoch allgemeine Konzepte entstehen, die auch auf bisher unbekannte Situationen und Objekte übertragen werden können, sei unklar ? und das, obwohl diese Fähigkeit als eine der Grundvoraussetzungen der menschlichen Intelligenz gilt. Nötig für dieses Abstraktionsvermögen und die Konzeptbildung sei ein Netzwerk im Gehirn, das die Gemeinsamkeiten in vielen verwandten Erfahrungen erkennt, sie verallgemeinert und dadurch ein Netz konzeptionellen Wissens generiert, das die übergeordnete Struktur der Umgebung erfasst.
Um dieses Netzwerk identifizieren zu können, ließen die Forscher jetzt 27 Freiwillige ein Spiel spielen: Sie bekamen Wolkenmuster gezeigt und sollten damit das Wetter des kommenden Tages vorhersagen. Zuerst merkten sich die Probanden lediglich die individuelle Form und Position der Wolken sowie die damit verknüpfte Vorhersage, berichtet das Team. Je länger der Test jedoch dauerte, desto mehr der Teilnehmer entdeckten das Prinzip hinter den Darstellungen. So sagte etwa eine bestimmte Wolkenform in einer bestimmten Position immer Sonne voraus und eine Kombination von zwei Formen immer Regen, unabhängig davon, was sonst noch zu sehen war.
Im gleichen Maße, in dem dieses Konzept den Probanden klar wurde, verstärkte sich auch die Aktivität eines funktionell gekoppelten Schaltkreises aus dem Hippocampus, entscheidend für die Bildung von Erinnerungen, und dem ventralen präfrontalen Cortex. Dieses Areal gilt als unverzichtbar für das Fällen von Entscheidungen und die Kopplung und Kontrolle von Emotionen. Der Hippocampus scheint dabei jedoch die Schüsselrolle zu spielen: Er erzeugt und speichert offenbar die Konzepte und reicht sie bei Bedarf an den präfrontalen Cortex weiter, wo sie dann als Basis für Entscheidungen dienen. Ob das Konzept dann auf eine neue Situation übertragen werden könne, entscheide allein der Hippocampus, so die Forscher.
Dharshan Kumaran (University College, London) et al.: Neuron, Bd. 63, S. 889 ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel