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Wie der größte Eisschild der Welt auf den Klimawandel reagiert

Erde|Umwelt

Wie der größte Eisschild der Welt auf den Klimawandel reagiert
Ostantarktis
Berggipfel ragen aus dem ostantarktischen Eisschild heraus. © Jan Lenaerts

Der ostantarktische Eisschild reagiert offenbar empfindlicher auf Klimaerwärmungen als bislang angenommen. Das zeigt eine neue Studie, die die Reaktionen des Eisschilds auf vergangene Klimaerwärmungen ausgewertet und mit aktuellen Klimamodellen kombiniert hat. Während der ostantarktische Eisschild bei Einhaltung der Klimaschutzziele wahrscheinlich weitgehend stabil bleibt, könnte er bei einer Erwärmung von mehr als zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau stärker von der Schmelze betroffen sein und im Laufe der nächsten Jahrhunderte mehrere Meter zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen.

Der rapide Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen durch menschliche Treibhausgasemissionen sorgt dafür, dass die Eisschilde der polaren Regionen abschmelzen und der Meeresspiegel ansteigt. Die Auswirkungen in Küstengebieten zeigen sich bereits heute. Mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 haben 196 Länder vereinbart, den globalen Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und anzustreben, nicht über 1,5 Grad Celsius zu kommen. Damit sollen unter anderem schwerwiegende Folgen durch das Abschmelzen der Eisschilde vermieden oder verringert werden.

Lehren aus der Vergangenheit

Als besonders gefährdet gelten die Gletscher und Eisschilde der Westantarktis und Grönlands. Den ostantarktischen Eisschild, der im kältesten und höchstgelegensten Teil der Antarktis liegt, hielten Forscher dagegen bislang für weniger anfällig gegenüber Klimaveränderungen. Allerdings war wenig über seine Eigenschaften und seine erdgeschichtliche Vergangenheit bekannt. Ein Team um Chris Stokes von der Durham University in Großbritannien hat sich nun näher mit der Vergangenheit und möglichen Zukunft dieses größten Eisschilds der Erde beschäftigt.

Dazu werteten die Forscher unter anderem aus, wie der ostantarktische Eisschild auf vergangene Warmzeiten reagierte, als die Kohlendioxidkonzentration und die Temperaturen nur wenig höher waren als heute. Das letzte Mal, dass die atmosphärischen CO2-Werte den heutigen Wert von 417 parts per million (ppm) überstiegen, war im mittleren Pliozän vor etwa drei Millionen Jahren. Obwohl die globalen Mitteltemperaturen damals nur etwa zwei bis vier Grad Celsius höher waren als heute, zeigen Spuren in Meeresbodensedimenten, dass Teile des Eisschilds damals zusammenbrachen, was mit einem Anstieg des Meeresspiegels um zehn bis 25 Meter einherging.

Empfindlicher als gedacht

„Eine wichtige Lehre aus der Vergangenheit ist, dass der ostantarktische Eisschild selbst auf relativ bescheidene Erwärmungsszenarien sehr empfindlich reagiert. Er ist nicht so stabil und geschützt, wie wir einst dachten“, sagt Co-Autorin Nerilie Abram von der Australian National University in Canberra. Auf Basis dieses Wissens erstellten die Forscher mit Hilfe bereits existierender Klimamodelle Prognosen, wie sich der ostantarktische Eisschild unter verschiedenen Szenarien für Treibhausgasemissionen und Temperaturen entwickeln könnte.

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„Wenn die Temperaturen über das Jahr 2100 hinaus um mehr als zwei Grad Celsius ansteigen und dies durch hohe Treibhausgasemissionen aufrechterhalten wird, dann könnte allein die Ostantarktis bis zum Jahr 2300 etwa ein bis drei Meter und bis zum Jahr 2500 etwa zwei bis fünf Meter zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen“, berichtet Abram. Insgesamt enthält der ostantarktische Eisschild genug gefrorenes Wasser, um den Meeresspiegel beim kompletten Abtauen um 52 Meter anzuheben. „Satellitenbeobachtungen zeigen bereits Anzeichen für eine Ausdünnung des Eises und seinen Rückzug“, sagt Co-Autor Matthew England von der University of New South Wales. „Unsere Modelle zeigen, dass die Erwärmung der Ozeane dramatisch zunehmen wird, wenn wir die Treibhausgasemissionen nicht reduzieren.“

Einhaltung der Klimaziele kann Eisschild schützen

Doch die Analyse gibt auch Anlass zur Hoffnung: „Eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf weniger als die im Pariser Klimaabkommen festgelegte Zwei-Grad-Celsius-Grenze sollte bedeuten, dass wir die schlimmsten Szenarien vermeiden oder vielleicht sogar das Abschmelzen des ostantarktischen Eisschilds aufhalten und damit seine Auswirkungen auf den globalen Meeresspiegelanstieg begrenzen können“ , sagt Stoke.

Aus Sicht der Forscher unterstreicht dies, wie wichtig es ist, die Klimaziele konsequent zu verfolgen. „Wir haben jetzt ein sehr kleines Zeitfenster, um unsere Treibhausgasemissionen rasch zu senken, den Anstieg der globalen Temperaturen zu begrenzen und das ostantarktische Eisschild zu erhalten“, sagt Abrams. „Ein solches Vorgehen würde nicht nur den ostantarktischen Eisschild schützen, sondern auch das Abschmelzen anderer großer Eisschilde wie Grönland und der Westantarktis verlangsamen, die noch anfälliger und stärker gefährdet sind. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Länder ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen einhalten und verstärken.“

Quelle: Chris Stoke (Durham University, UK) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-022-04946-0

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