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Wie Essensreste künftig Flugzeuge antreiben

Erde|Umwelt

Wie Essensreste künftig Flugzeuge antreiben
Forscherin
Diese Wissenschaftlerin forscht am Recycling biologischer Abfälle. © Fraunhofer IKTS

Biogasanlagen tragen durch ihre Flexibilität dazu bei, Schwankungen im Stromnetz der erneuerbaren Energiequellen auszugleichen. Wenn sie gerade aber wenig gebraucht werden oder die Einspeisevergütungen gering sind, lohnen sich die Anlagen finanziell bisher kaum. Durch eine technische Erweiterung kann diese Lücke aber gefüllt werden, wie Forscher berichten. In ihrer ersten Pilotanlage kann das Biogas zu biogenen Wachsen und synthetischen Kraftstoffen wie E-Kerosin umgewandelt werden – je nachdem, was der Markt gerade benötigt.

Über 9.000 Biogasanlagen sind momentan in Deutschland in Betrieb. In ihnen werden Reste aus der Landwirtschaft, aber auch Bioabfälle aus Industrie und privaten Haushalten zu Biogasen vergoren. Diese kommen dann in Blockheizkraftwerken zum Einsatz oder werden ins Erdgasnetz eingespeist. Neben der direkten energetischen Verwertung können die Produkte der Biogasanlagen aber auch weiterverwertet werden – zu synthetischen Kraftstoffen und Biowachsen. „Solche erweiterten Biogasanlagen eröffnen erhebliche Chancen, um schon jetzt für die Zeit nach dem Kohleausstieg neue Wertschöpfung und Arbeitsplätze im mitteldeutschen Revier aufzubauen“, sagt Erik Reichelt vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS).

Ein Team um Reichelt hat nun die weltweit erste Biogasanlage in Betrieb genommen, die Kraftstoffe und biogene Wachse aus alten Fetten der Gastronomie und der Lebensmittelindustrie erzeugt. Die ursprüngliche Zielsetzung des Projektes war es, Biogasanlagen resilienter gegen Marktschwankungen zu machen, indem die Produktion über eine zuschaltbare Technik auf Biowachse umgestellt werden kann. Diese könnten dann an die Schmiermittel- und Kosmetikindustrie verkauft werden, wodurch sich der Betrieb der Anlage auch bei niedrigen Strompreisen lohnen sollte. Auf dem Weg dorthin stellten die Forscher jedoch fest, dass sich auch noch andere Produkte aus dem Prozess extrahieren lassen.

Drei Erweiterungen – viele Möglichkeiten

In ihrem Projekt erweiterten die Wissenschaftler eine bereits existierende Biogasanlage in Thallwitz bei Leipzig um drei Bauteile: einen Reformer, einen Elektrolyseur und einen sogenannten Fischer-Tropsch-Reaktor. Im ersten Schritt leitet die Anlage das produzierte Biogas gemeinsam mit Wasserdampf in den Reformer, der daraus Synthesegas erzeugt – ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Das Fischer-Tropsch-Aggregat wandelt dieses Synthesegas dann in Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe und Wachs um. Das Methan wird direkt in den Prozess zurückgeleitet, wo es dabei hilft, die Anlage zu heizen. Übrig bleiben Wachs und Flüssigprodukte im Verhältnis eins zu eins. Letztere können dann in Raffinerien zu synthetischem Diesel oder Kerosin weiter aufbereitet werden.

Wenn wenig Biogas verfügbar oder besonders viel Strom aus Solar- oder Windkraftwerken im Angebot ist, kann schließlich der Elektrolyseur dazugeschaltet werden. Dieser befindet sich in einem separaten Container und zerlegt Wasserdampf und Kohlendioxid in Wasserstoff und Kohlenmonoxid, also Synthesegas. So sichert er die kontinuierliche Versorgung der Fischer-Tropsch-Anlage ab, die nur mit ausreichend Synthesegas effizient arbeiten kann. Durch die installierten Erweiterungen kann die Anlage nun besonders flexibel auf verschiedene Marktsituationen reagieren. Wenn beispielsweise die Stromabnahmepreise besonders hoch sind, kann der Betreiber das Biogas auf herkömmliche Art verstromen. Sind die Einspeisevergütungen jedoch niedrig, kann die Anlage auf die Produktion von biogenem Wachs und synthetischen Kraftstoffen umgestellt werden. Wenn zusätzlich gerade besonders viel Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht, lohnt es sich, den Elektrolyseur zuzuschalten.

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Nachfrage an E-Fuels und Biowachsen steigt

Auch wenn die Biogasanlagen durch den Zubau deutlich effizienter werden, sind die gewonnenen erdölfreien Kraftstoffe und Wachse immer noch teurer als entsprechende Produkte auf fossiler Basis. Die aktuelle Energiepreiskrise hat die ehemals immensen Kostenunterschiede zu erdölbasierten Produkten allerdings bereits stark reduziert. Laut den Wissenschaftlern steigt der Bedarf vieler Industriezweige an nachhaltig gewonnenen Energieträgern und Stoffen aber weiterhin. Vor allem die Luftfahrtgesellschaften stünden dabei wegen restriktiverer Umweltschutzgesetze unter Druck, da die Bundesregierung angekündigt hat, ab 2026 erhebliche Beimischungen von elektrisch erzeugtem Kerosin zum herkömmlichen Flugtreibstoff als Pflichtquote einzuführen.

Weitere Nachfrage könnte zukünftig auch aus anderen Bereichen kommen, wie beispielsweise der Farben- und Lackindustrie, die das gewonnene Wachs für die Herstellung von Zusatzstoffen einsetzen könnte. Auch in der Kosmetik und der Schmierstoffindustrie werden sich zukünftig genügend Abnehmer finden, meint Erik Reichelt. Biogasanlagen-Betreiber, die ihre Betriebe rasch mit der neuen Technik ausstatten, könnten demnach als erste diese Marktnachfrage für biogene Wachse bedienen. Und falls sich dieser Teilmarkt übersättigen sollte, kann auch das Wachs durch zusätzliche Anlagentechnik zu Kraftstoff verflüssigt werden. Auf der Agenda der Wissenschaftler steht nun eine Anlage in industriellem Maßstab. Diese soll mehrere hundert Liter Syntheseprodukte pro Stunde erzeugen können.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS

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