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Wie Feinstaub aus Luftschadstoffen entsteht

Erde|Umwelt

Wie Feinstaub aus Luftschadstoffen entsteht
Smog
Smog in Peking. (Bild: beijingstory/ iStock)

Feinstaub ist in vielen Ballungsräumen ein Gesundheitsproblem, weil die winzigen Partikel tief in die Lunge eindringen können. Jetzt belegt ein Experiment am Forschungszentrum CERN, dass ein Teil des Feinstaubs durch einen zuvor unerkannten Mechanismus entsteht: Er wird bei niedrigen Temperaturen sekundär aus Ammoniak und der aus Stickoxiden entstehenden Salpetersäure gebildet. Beides sind Luftschadstoffe, die in Großstädten vor allem durch den Straßenverkehr freigesetzt werden. Dieser Bildungsmechanismus erklärt, warum bei Wintersmog oft mehr Feinstaub gemessen wird als es eigentlich geben dürfte.

Feinstaub ist ein globales Problem. Die winzigen Partikel von weniger als einigen Mikrometer Größe sind gesundheitsschädlich und könnten weltweit für Millionen Todesfälle verantwortlich sein. Allein in Europa könnte zudem rund ein Drittel aller Asthmafälle bei Kindern auf die Feinstaubbelastung zurückgehen. Gleichzeitig wirken gerade die ultrafeinen Feinstaubpartikel als Kondensationskeime für Wolken Feinstaub kann zwar auch durch natürliche Prozesse entstehen, ein Großteil stammt aber heute aus anthropogenen Quellen. So werden Feinstaubpartikel, die kleiner sind als 2,5 Mikrometer, vorwiegend direkt durch Verbrennungsprozesse zum Beispiel in Kraftfahrzeugen oder Heizungen freigesetzt, man spricht von primärem Feinstaub. Die winzigen Teilchen können aber auch sekundär durch Anlagerung von Luftschadstoffen an bereits in der Luft umherschwebenden Nanopartikeln entstehen. Vor allem bei Wintersmog in Ballungsräumen macht dieser sekundäre Feinstaub einen erheblichen Anteil der Belastung aus.

Rasantes Partikelwachstum in der Wolkenkammer

Die schon bekannten Entstehungsmechanismen können aber nur einen Teil der in Großstädten gemessenen Feinstaubbelastungen erklären. Gerade in den asiatischen Megacities wird bei Wintersmog oft eine höhere Ultrafeinstaubbildung gemessen als es eigentlich geben dürfte. Denn gängiger Ansicht nach bleiben die kleinsten Anteile des Feinstaubs nicht lange erhalten: Nanopartikel von weniger als zehn Nanometern Größe lagern sich nach kurzer Zeit an größere Schwebstoffe an, was die Partikeldichte verringern müsste, erklären Mingyi Wang von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh und ihre Kollegen. Sie sprechen daher auch von einem “Tal des Todes” für diese Feinstaubgrößen. In einem Experiment am Forschungszentrum CERN bei Genf haben die Forscher nun untersucht, woher der zusätzliche Ultrafeinstaub kommen könnte. Dafür stellten sie in der Wolkenkammer des CLOUD-Experiments die Bedingungen nach, die bei Wintersmog in den Straßen einer Großstadt herrschen. Bei diesen Wetterlagen liegt eine warme Luftschicht wie eine Decke über einer kälteren, tieferen Luftmasse und verhindert so ihr Aufsteigen und die Durchmischung der Luft. Dadurch bleiben auch die Abgase des Verkehrs, der Haushalte und anderer Emittenten in den Straßenschluchten gefangen und konzentrieren sich dort.

Die Experimente ergaben, dass die in der Luft schwebenden Nanopartikel entgegen den Erwartungen nicht von größeren “geschluckt” werden, sondern unter bestimmten Bedingungen erhalten bleiben – und dann zu Keimen für Ultrafeinstaub werden. Dies geschieht immer dann, wenn sich die beiden aus Autoabgasen gebildeten Luftschadstoffe Ammoniak und Salpetersäure in der Straßenluft kurzzeitig stark anreichern. Bisher dachte man, dass diese beiden Schadstoffe nur eine passive Rolle bei der Partikelbildung spielen”, sagt Jasper Kirkby, Leiter des CLOUD-Experiments am CERN. Doch wie das Team feststellte, lagern sich diese Schadstoffe an den Nanopartikeln an, bilden Ammoniumnitrat und führen zum Heranwachsen der Partikel zu Ultrafeinstaub. “Wir haben beobachtet, dass diese Nanopartikel innerhalb weniger Minuten sehr rasch anwachsen”, sagt Joachim Curtius von der Goethe-Universität Frankfurt. Die Wachstumsraten liegen teilweise beim Hundertfachen des bisher Bekannten. Resultat dieses Prozesses ist dann der dichte Smog aus Feinstaub und Ultrafeinstaub, der im Winter vor allem in asiatischen Großstädten für “dicke Luft” sorgt.

Wintersmog und Wolkenbildung

“In urbanen Ballungszentren liefert der von uns beobachtete Prozess damit einen wichtigen Beitrag zur Bildung von Feinstaub im Wintersmog”, sagt Curtius. Selbst wenn die lokalen Anreicherungen der beiden Luftschadstoffe oft nur wenige Minuten lang anhalten, reicht dies wegen des schnellen Wachstums der Partikel aus, um den Smog zu verstärken. Günstige Bedingungen für diesen neuentdeckten Mechanismus herrschen dabei vor allem im Winter. “Denn der Prozess läuft nur bei Temperaturen von weniger als etwa plus fünf Grad Celsius ab”, erklärt Curtius. Ist die Luft wärmer, sind die Teilchen zu flüchtig und bleiben nicht lange genug stabil, um zu Feinstaub heranzuwachsen. Um den Wintersmog gerade in den noch immer stark davon betroffenen Megacities Asiens effektiv zu bekämpfen, müsste daher der Ausstoß von Stickoxiden – den Vorläufern der Salpetersäure – und von Ammoniak stärker verringert werden. “Zwar wird die Emission von Stickoxiden schon kontrolliert, aber bei Ammoniak ist dies nicht der Fall”, sagt Kirkby. “Der Ausstoß dieses Schadstoffs könnte sich durch die neuesten Katalysatoren in Benzin- und Dieselfahrzeugen sogar noch erhöhen.”

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Doch diese Bildung von Aerosolpartikeln aus Ammoniak und Salpetersäure tritt vermutlich nicht nur in Städten und Ballungsgebieten auf, sondern kann auch in höheren Luftschichten der Atmosphäre stattfinden, wie die Forscher erklären. Triebkraft ist dafür dann hauptsächlich Ammoniak, das in der Landwirtschaft entsteht. Es gelangt durch aufsteigende Luftströmungen aus bodennaher Luft in die obere Troposphäre und mischt sich dort mit Salpetersäure, die durch Blitze aus dem Stickstoff der Luft entstanden ist. “Es bilden sich bei den dort herrschenden niedrigen Temperaturen neue Ammoniumnitratpartikel, die als Kondensationskeime bei der Wolkenbildung eine Rolle spielen”, erklärt Armin Hansel von der Universität Innsbruck. Der neu identifizierte Mechanismus ist daher auch für die Klimaentwicklung relevant.

Quelle: Mingyi Wang (Carnegie Mellon University, Pittsburgh) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2270-4

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