Ein körpereigenes Eiweiß namens GDNF könnte die Basis für eine neue Therapie gegen Alkoholsucht werden, zeigt eine Laborstudie amerikanischer Forscher: Direkt ins Gehirn verabreicht, ließ es Ratten nicht nur innerhalb von zehn Minuten das Interesse am Alkohol verlieren, es verhinderte auch, dass die Tiere nach zwei Wochen Abstinenz rückfällig wurden. Bemerkenswert dabei: Im Gegensatz zu anderen Wirkstoffen verringerte die Behandlung nur das Verlangen nach Alkohol, während die Lust auf andere Genussmittel wie etwa Süßigkeiten erhalten blieb. Aktuell sucht das Team um Dorit Ron von der Universität von Kalifornien in San Francisco nun nach Medikamenten, die den GDNF-Spiegel im Gehirn auch ohne die direkte Injektion erhöhen.
Der positiven Wirkung von GDNF waren Ron und ihr Team bereits im Jahr 2005 auf die Spur gekommen. Damals untersuchten sie den pflanzlichen Wirkstoff Ibogain, eine Droge, die Visionen, aber auch Krämpfe und Lähmungen auslösen kann und zu deren Nebenwirkungen ein deutlich verringertes Verlangen nach Suchtmitteln gehört. Zurück geht dieser Effekt darauf, dass
Ibogain im Gehirn die Menge des Glial Cell Line-Derived Neurotrophic Factors, so der vollständige Name von GDNF, erhöht, konnten die Wissenschaftler zeigen. In ihrer neuen Studie setzten sie daher das körpereigene Eiweißmolekül, das der Organismus unter anderem für die korrekte Entwicklung von Nieren und Rückenmark benötigt, direkt ein und injizierten es alkoholabhängigen Ratten ins Gehirn.
Während die Tiere vor der Behandlung immer wieder einen Hebel gedrückt hatten, um an alkoholhaltiges Wasser zu gelangen, interessierten sie sich nachher praktisch gar nicht mehr für besagten Hebel, berichten die Forscher. Der Effekt zeigte sich bereits nach zehn Minuten und hielt mindestens drei Stunden an. Für noch entscheidender halten die Wissenschaftler jedoch die Wirkung nach einer erzwungenen zweiwöchigen Abstinenz: Die behandelten Ratten ignorierten weiterhin die Hebel, die ihnen Zugang zum Alkohol gewährten ? im Gegensatz zu ihren unbehandelten Artgenossen, die schon durch den Geruch von Alkohol wieder zum Trinken animiert wurden.
GDNF scheint anderen Therapieansätzen demnach gleich in mehreren Aspekten überlegen zu sein, schließen die Forscher. Zum einen beeinflusst es nur die Alkoholsucht und dämpft nicht allgemein die Freude an Genussmitteln ? wahrscheinlich, weil es praktisch ausschließlich auf eine genau definierte Hirnregion wirkt. Zum anderen gilt gerade das Verhindern eines Rückfalls als wichtiger Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Behandlung von Alkoholkranken, bei denen schon ein einziges Glas zum Wiederaufflammen der Sucht führen kann. Da sich die Entstehungsmechanismen von Suchtverhalten bei Ratten und Menschen stark ähneln, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass GDNF sich auch beim Menschen bewährt.
Dorit Ron (Universität von Kalifornien, San Francisco ) et al.: PNAS, Bd. 105, S. 8114 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel