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Wie Rentiere cool bleiben

Erde|Umwelt

Wie Rentiere cool bleiben
Wer schon einmal im dicken Wintermantel einem Bus hinterherlaufen musste, kennt das Phänomen: Die isolierende Jacke hält nicht nur die frostige Winterluft draußen, sondern leider ebenso gut die beim Rennen entstehende Hitze drinnen. Auch Rentiere stehen regelmäßig vor diesem Problem ? nur dass sie im Gegensatz zu menschlichen Läufern ihr dichtes Fell nicht ablegen können. Um trotzdem nicht zu überhitzen, nutzen die Tiere eine ausgeklügelte Stufentaktik, haben norwegische Forscher jetzt entdeckt: Zuerst kühlen sie ihr Gehirn und ihren Körper über ihre Nase, dann über Mundhöhle und Zunge und schließlich schalten sie bei Bedarf noch eine Art Wärmetauscher zu.

„Rentiere sind wirklich die besten Tiere, mit denen man arbeiten kann“, lobt Studienleiter Arnoldus Blix von der Universität in Tromsø seine Probanden: „Wenn sie einmal einem Trainer vertrauen, tun sie alles für dich.“ Dieses „alles“ bestand im Fall der aktuellen Studie darin, geduldig mit einer Geschwindigkeit von neun Kilometern pro Stunde auf einem Laufband dahinzutraben, während die Forscher die Umgebungstemperatur zwischen 10 und 30 Grad Celsius variierten. Gleichzeitig zeichneten sie verschiedene Körperfunktionen bei den Tieren auf, etwa die Atemfrequenz, die Temperatur des Gehirns und den Blutfluss im Kopf.

Das erste Fazit, das die Wissenschaftler aus den Ergebnissen ziehen konnten, lautet: Die Rentiere nutzen offenbar nicht sofort die maximal mögliche Kühlung, sondern schalten je nach Bedarf immer wieder einen Gang hoch. Zuerst beschleunigen sie ihre Atemfrequenz ? von sieben auf beeindruckende 260 Atemzüge pro Minute ?, und atmen dabei praktisch ausschließlich durch ihre Nase. Dabei kühlen zum einen die vorbeiströmende Luft und zum anderen das verdunstende Wasser aus der feuchten Schleimhaut das Blut in den Nebenhöhlen, das dann durch die Drosselvene im Hals wieder zurück ins Körperinnere gepumpt wird.

Reicht diese Nasenkühlung nicht mehr aus, aktivieren die Rens die nächste Stufe: Sie öffnen ihr Maul weit, lassen ihre Zunge heraushängen und hecheln wie Hunde. Auch hier ist es vor allem die Verdunstungskälte der Feuchtigkeit auf der Zunge, die Kühlung bringt, erläutert Blix. Da die Zunge sehr viele Blutgefäße enthält und stark durchblutet ist, ist dieses System effektiver als die Nasenatmung. Zudem können die Tiere offenbar den Blutfluss in der Zunge regulieren: Er stieg im Test auf ein Maximum an, wenn die Temperatur im Gehirn sich der kritischen Marke von 39 Grad näherte.

Erst solchen kritischen Momenten schalten die Tiere dann die nächste ? ultimative ? Kühlung zu: Sie leiten einen Teil des in der Nase gekühlten Blutes so um, dass es nicht in den Körper zurückfließt, sondern in ein Netz aus Blutgefäßen im Kopf, das wie ein Wärmetauscher funktioniert: Das zu warme arterielle Blut, das vom Herzen zum Gehirn unterwegs ist, strömt am kühlen venösen Blut vorbei und gibt dabei die überschüssige Wärme ab. So können die Tiere gezielt und selektiv ihr Gehirn kühlen, sagen die Forscher. Das System sei überraschend effektiv, ergänzt Blix, der zuerst skeptisch war, ob die Luftmenge überhaupt ausreicht, denn: „Nur zwei Prozent des Atemvolumens gehen durch die Nase, wenn die Tiere zum Hecheln mit offenem Mund wechseln“, erläutert er. Bedenke man jedoch die schiere Menge an Atemluft, die bei der schnellen Frequenz eingeatmet werde, sowie die in der freien Wildbahn meist sehr geringe Temperatur dieser Luft, könne man leicht berechnen, dass die Kühlung tatsächlich ausreicht.

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Arnoldus Blix (Universität Tromsø) et al.: Journal of Experimental Biology, Bd. 214, S. 3850 wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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