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Wie Tiere Warnfarben entwickelt haben

Erde|Umwelt

Wie Tiere Warnfarben entwickelt haben
Molch
Dieser Rauhäutige Gelbbauchmolch (Taricha granulosa) zeigt seine Warnfarbe nur im akuten Verteidigungsfall. © Gary Nafis (grynaf@yahoo.com)

Mit leuchtendem Rot, Orange oder Gelb zeigen viele Amphibien ihren potenziellen Fressfeinden: Ich bin giftig, friss mich nicht! Doch wie konnten sich solche Warnfarben evolutionär entwickeln? Warum wurden die ersten derart auffälligen Individuen nicht direkt von Beutegreifern getötet, die die warnende Aussage der Farben noch nicht kannten? Eine Studie gibt nun Aufschluss über mögliche Mechanismen. Demnach entwickelten sich Warnfarben wahrscheinlich zunächst versteckt und traten nur in Erscheinung, wenn ein ansonsten getarntes Tier sie absichtlich zeigte. Erst als Raubtiere die Farben als abschreckend kennengelernt hatten, konnten sich Individuen mit dauerhaftem Warnkleid durchsetzen.

Im Laufe der Evolution haben Tiere vielfältige Strategien entwickelt, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Manche verschmelzen nahezu mit ihrer Umgebung, indem sie farblich den Boden, Blätter oder Baumrinden nachahmen. Andere hingegen sind mit ihren auffälligen Mustern und leuchtenden Farben schon weithin sichtbar. Doch Fressfeinde wissen intuitiv, dass dies eine Warnung bedeutet: Die betreffenden Tiere sind wahrscheinlich giftig, wehrhaft oder zumindest ungenießbar. Wie sich die Strategie der Warnfärbung, auch genannt Aposematismus, evolutionär entwickeln konnte, gilt jedoch als wissenschaftliches Paradox. In einer Zeit, in der Raubtiere die Bedeutung der Farben noch nicht kannten, hätten die ersten Individuen, die durch zufällige Mutationen auffällige Farben entwickelten, ein besonders hohes Risiko gehabt, gefressen zu werden. Somit hätte sich das Merkmal eigentlich evolutionär nicht durchsetzen können.

Aufklärung des Paradoxons

Ein Team um Karl Loeffler-Henry von der Carleton University im kanadischen Ottawa hat nun eine plausible Lösung für dieses Paradox gefunden. „Unsere Studie unterstreicht die Bedeutung von versteckten Farbsignalen für die evolutionären Prozesse, die bei Amphibien zu einer vielfältigen Färbung zur Abschreckung von Raubtieren führen“, so die Forscher. Während frühere Studien zur Entwicklung von Warnfärbungen üblicherweise die analysierten Arten nur in zwei Gruppen unterteilt haben – Tarn- oder Warnfarben – berücksichtigten Loeffler-Henry und seine Kollegen auch verschiedene Varianten dazwischen.

„Manche Arten sind im Ruhezustand getarnt, haben aber leuchtende Farbsignale an verborgenen Körperstellen, die nur in bestimmten Situationen sichtbar werden, etwa auf der Flucht oder wenn sie eine Verteidigungshaltung einnehmen“, erklärt das Forschungsteam. Beispielsweise sind viele Kröten auf der Oberseite unauffällig gefärbt, während ihr Bauch ganz oder teilweise Warnfarben hat. „Diese flexiblen Signalstrategien könnten Zwischenstadien darstellen und daher eine zentrale Rolle in evolutionären Prozessen spielen, die unterschiedliche Abwehrmechanismen gegen Räuber hervorbringen.“

Entwicklung mit Zwischenschritten

Um diese Hypothese zu überprüfen, führten Loeffler-Henry und sein Team phylogenetische Analysen für insgesamt mehr als 1.400 Amphibienarten durch. Diese teilten sie in fünf Gruppen ein: Neben vollständig getarnten und vollständig auffällig gefärbten Spezies berücksichtigten sie auch solche, deren Bauch ganz oder teilweise Warnfarben aufweist sowie Spezies, die sowohl getarnte als auch auffällige Individuen hervorbringen. Für 315 Arten standen ihnen dabei zusätzlich Informationen zur Giftigkeit zur Verfügung, sodass sie auch einbeziehen konnten, inwieweit die Warnfarben tatsächlich auf eine Gefahr hinweisen und in welchen Fällen sie nur Bluff sind. Mit neun verschiedenen Evolutionsmodellen berechnete das Forschungsteam, auf welchem Weg sich der Aposematismus am wahrscheinlichsten entwickelt hat und welche Rolle die Giftigkeit dabei gespielt hat.

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Das Ergebnis: „Unsere Analysen zeigen, dass der evolutionäre Übergang von der Tarnung zum Aposematismus in der Regel nicht direkt erfolgt, sondern ein Zwischenstadium beinhaltet, nämlich getarnte Arten, die fakultativ eine auffällige Färbung zeigen“, so die Forscher. „Etwa 91 Prozent der Arten mit fakultativer Warnfärbung haben eine chemische Verteidigung. Das deutet darauf hin, dass ihre Warnfärbung eher ein ehrliches Signal ihrer Verteidigung ist als ein Bluff.“ Raubtiere lernen somit, die leuchtenden Farben als Hinweis auf Gefahr zu deuten, noch bevor sich Individuen durchsetzen, die ihre Tarnung komplett zugunsten von Warnfarben aufgegeben haben. Da in der Folge auffällig gefärbte Individuen weniger gefressen werden, kann sich ein Selektionsdruck entwickeln, der zum vollständigen Aposematismus führt.

Versteckte Signale berücksichtigen

„Makroevolutionäre Studien zur Färbung von Tieren sollten diese unterschätzten versteckten Signale berücksichtigen, die im gesamten Tierreich weit verbreitet sind, um unser Verständnis der Evolution der Prädatorabwehr zu verbessern“, schreiben die Autoren. „In der Tat gibt es in vielen Tiergruppen wie Schlangen, Fischen und einer Vielzahl von Gliederfüßern Arten, die auffällige Signale an versteckten Stellen tragen. Wir regen daher Folgestudien in anderen Taxa an, um die Allgemeingültigkeit der Hypothese der Zwischenschritte als Weg zum Aposematismus zu bewerten.“

Quelle: Karl Loeffler-Henry (Carleton University, Ottawa, Kanada) et al., Science, doi: 10.1126/science.ade5156

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