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Wie unser Zeitgefühl funktioniert

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Wie unser Zeitgefühl funktioniert
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Zeit ist relativ - auch in unserem subjektiven Empfinden (Grafik: GilCosta)
Wie die Zeit verfliegt! Dieser überraschte Ausspruch belegt, dass Zeit für uns manchmal unerwartet schnell vergeht – meistens, wenn wir Spaß haben. Schon länger steht das „Glückshormon“ Dopamin im Verdacht, an diesem Effekt beteiligt zu sein. Jetzt haben Forscher bei Mäusen erstmals einen direkten Beleg dafür gefunden. Bei ihnen – und wahrscheinlich auch bei uns – beeinflussen Dopamin-ausschüttende Neuronen die subjektive Zeitempfindung. Unser subjektives Zeitgefühl ist demnach nicht nur ein rein psychologischer Effekt, sondern hat eine neuronale Basis.

Dass Zeit relativ ist, hat Albert Einstein bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erkannt. Doch auch jenseits des rein physikalischen Phänomens erscheint uns die Zeit längst nicht immer gleich lang: Mal scheint sie wie im Fluge zu vergehen, mal zieht sie sich wie Kaugummi. Auch das Physik-Genie Einstein kannte dieses subjektive Zeitempfinden sehr gut: „Wenn man mit dem Mädchen, das man liebt, zwei Stunden zusammensitzt, denkt man, es ist nur eine Minute“, brachte der Nobelpreisträger es auf den Punkt. „Wenn man aber nur eine Minute auf einem heißen Ofen sitzt, denkt man, es sind zwei Stunden.“ Aber woran liegt das? Schon länger haben Forscher den Verdacht, dass das „Glückshormon Dopamin für die subjektive Zeitempfindung eine wichtige Rolle spielt. Dieser Neurotransmitter wird verstärkt ausgeschüttet, wenn wir beispielsweise tiefe Befriedigung empfinden oder positiv überrascht werden – und genau in diesen Situationen scheint die Zeit für uns besonders schnell zu vergehen.

Welche Rolle spielt das Dopamin?

Tatsächlich zeigen Versuche mit Ratten, deren Dopamin-Ausschüttung durch Amphetamine künstlich erhöht wurden, dass diese Zeitintervalle als kürzer einschätzen, als sie wirklich sind. Aus diesen Beobachtungen erwuchs die sogenannte Dopamin-Uhr-Hypothese, nach der das Glückshormon den Takt unserer inneren Uhr und gleichzeitig unsere bewusste Zeitwahrnehmung und Aufmerksamkeit beeinflusst. Doch ein eindeutiger Beleg für die Rolle des Dopamins fehlte bisher. Zudem ergaben Studien widersprüchliche Ergebnisse zur Wirkungsweise des Neurotransmitters: Einige legten nahe, dass eine erhöhte Ausschüttung des Hormons das Steuerzentrum der inneren Uhr in unserem Gehirn beschleunigt. Das jedoch müsste unsere subjektive Zeitwahrnehmung bei Glücksgefühlen eher verlangsamen als sie zu beschleunigen.

Mehr Klarheit in die Mechanismen hinter unserem subjektiven Zeitempfinden bringen nun Sofia Soares vom Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon und ihre Kollegen. In Versuchen mit Mäusen haben sie untersucht, was in einem ganz bestimmten Hirnareal geschieht, wenn die Tiere Zeitintervalle schätzen sollten. Ihr Zielgebiet waren die Dopamin-ausschüttenden Neuronen in der Substantia nigra des Mittelhirns – eine Hirnregion, die bei Parkinson-Patienten fortschreitend zerstört wird. Eigenheiten solcher Patienten brachten die Forscher erst auf diese Idee: „Es ist bekannt, dass die von Parkinson Betroffenen oft Probleme haben, Zeit richtig einzuschätzen“, sagen Wissenschaftler. Um die Rolle der Dopamin-Neuronen untersuchen zu können, brachten die Forscher Mäusen bei, einzuschätzen, ob die Spanne zwischen zwei Tönen länger oder kürzer ist als 1,5 Sekunden. Ihre Antwort gaben die Tiere, indem sie ihre Schnauze entweder auf einen langen oder kurzen Schlitz legten. Lagen sie richtig, bekamen sie eine Belohnung. Während die Mäuse diese Übung durchführten, beobachteten die Wissenschaftler, was im Gehirn ihrer tierischen Probanden passierte. Mithilfe einer photometrischen Methode brachten sie dabei die Neuronen in der Substantia nigra zum Fluoreszieren. Dabei galt: Je mehr Licht die Nervenzellen emittierten, desto aktiver waren sie.

Innere Uhr ausgebremst

Es zeigte sich, dass die dopaminergen Neuronen tatsächlich aktiv wurden, wenn die Mäuse die Zeitintervalle abschätzten. Sie schienen für die Zeitmessungsaufgabe demnach von Bedeutung zu sein. „Was wir sahen, war Folgendes: Je stärker die neuronale Aktivität beim Hören der Töne anstieg, desto mehr neigten die Mäuse dazu, die vergangene Zeit zu unterschätzen. Je geringer der Anstieg, desto mehr überschätzten sie sie“, erläutert Mitautor Joseph Paton. Damit war der erste Beweis erbracht: Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen der Aktivität der Dopamin-Neuronen und dem subjektiven Zeitempfinden. Und offensichtlich scheint eine verstärkte Ausschüttung des Glückshormons Dopamin dabei die subjektiv empfundene Zeit zu verkürzen. Aber was passiert dabei mit der inneren Uhr? Läuft sie nun schneller oder langsamer? Und handelte es sich hierbei wirklich um eine kausale Verknüpfung oder lediglich um eine Korrelation?

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Das überprüften Soares und ihre Kollegen bei einem zweiten Experiment. Sie manipulierten nun die Dopamin-Neuronen der Mäuse, indem sie sie mithilfe von Licht vorübergehend stimulierten oder ausschalteten. Und tatsächlich: Dieser Eingriff genügte, um die Nager durcheinander zu bringen. „Stimulierten wir die Neuronen, unterschätzten die Tiere vermehrt die Zeitspanne – fuhren wir sie jedoch herunter, überschätzten die Mäuse die Dauer“, sagt Paton. Weitere Beobachtungen bei diesen Versuchen sprachen dafür, dass die vermehrte Dopamin-Freisetzung das Uhrenzentrum im Gehirn beeinflusst. Die innere Uhr „tickt“ demnach während einer Dopaminschwemme langsamer. Dies könnte die Dopamin-Uhren-Hypothese zumindest in Teilen bestätigen. In jedem Falle belegen diese Ergebnisse, dass die von den Dopamin-Neuronen in der Substantia nigra vermittelten Signale eine entscheidende Rolle für das Zeitgefühl spielen.

Die Forscher glauben, dass ein ähnlicher Schaltkreis wahrscheinlich auch im menschlichen Gehirn bei der Zeiterfassung mitmischt.  Trotzdem seien die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen: „Das Problem ist, dass uns die Mäuse nicht sagen können, was sie wirklich fühlen. Wir schließen lediglich von ihrem Verhalten auf ihre Wahrnehmung. Das heißt: Wir interpretieren nur“, betont Paton. Spekulieren dürfe man dennoch: „Es gibt dieses viel zitierte Klischee von den Liebenden, die die ganze Nacht miteinander reden und nicht merken, wie die Zeit vergeht. Es könnten die Dopamin-Neuronen sein, die da am Werk sind und die Zeit auf spektakuläre Weise schrumpfen lassen“, schließt er.

Quelle:

© wissenschaft.de – Daniela Albat, Nadja Podbregar
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