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Wirbelstürme „züchten“ aggressive Spinnen

Erde|Umwelt

Wirbelstürme „züchten“ aggressive Spinnen
Anelosimus-Spinnen leben in sozialen Gruppen. (Bild: Thomas Jones)

Temperaturveränderungen, mehr Stürme und Wetterextreme: Die Welt ist im Wandel – dadurch ändern sich auch die Lebensbedingungen der Tiere teils drastisch. Wie werden sie auf diese Herausforderung reagieren – sind evolutionäre Prozesse am Werk? Wie nun ein skurriles Beispiel verdeutlicht, sind offenbar viele unterschiedliche und kaum absehbare Effekte möglich: Forscher haben festgestellt, dass sich bei einer sozial lebenden Spinnenart Amerikas im Zuge von Wirbelstürmen eine Veranlagung zu aggressiverem Verhalten verstärkt durchsetzt.

Die Evolution geht immer weiter. Im Lauf der Jahrmillionen haben die Lebewesen der Erde viele verschiedene Formen und Konzepte hervorgebracht, um sich an bestimmte Bedingungen und Lebensräume anzupassen. Dabei zeichnet sich ab, dass für viele Arten schnelle Veränderungen ihrer Lebensumstände höchst problematisch sind: Immer wenn sich das Klima oder bestimmte Umweltfaktoren in der Erdgeschichte vergleichsweise rasch wandelten, konnten sich viele Organismen nicht schnell genug anpassen und starben aus. Klar ist: Wir sind nun gleichzeitig Zeugen und Verursacher eines solchen Prozesses. Die durch den Menschen veränderten Bedingungen auf unserem Planeten setzten viele Lebewesen enorm unter Druck.

Evolution in Zeiten des Klimawandels

Wie sie damit umgehen, ist in den meisten Fällen unklar. Eine Frage in diesem Kontext: Wie könnten sich die zunehmend häufigeren und intensiveren Wetterextreme auf evolutionäre Prozesse auswirken, die zu Anpassungen oder aber zum Aussterben von Arten führen können? In diesem Zusammenhang haben sich die Forscher um Jonathan Pruitt von der University of California Santa Barbara nun mit den möglichen Effekten von starken Stürmen beschäftigt.

Klar ist, dass die tropischen Wirbelstürme schon immer eine Rolle in der Natur der betroffenen Regionen gespielt haben. Doch im Zuge des Klimawandels zeichnet sich nun deutlich ab, dass diese verwüstenden Naturkatastrophen immer häufiger etwa über Teile der Karibik oder der südlichen USA hereinbrechen. „Wir wollen die möglichen Auswirkungen dieser Extremereignisse auf die Evolution und die natürliche Selektion besser verstehen“, sagt Pruitt.

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Als Beispielart haben sich die Wissenschaftler die Spinne Anelosimus studiosus ausgesucht, die entlang der Golf- und Atlantikküste der Vereinigten Staaten und Mexikos vorkommt – und damit genau im „Spielfeld“ der tropischen Wirbelstürme. Es handelt sich um eine ausgesprochen interessante und vergleichsweise gut untersuchte Spinnenart.

Das Besondere: Während sich die meisten Arachniden untereinander „spinnefeind“ sind, lebt Anelosimus nach dem Konzept „Gemeinsam sind wir stark“: Gruppen dieser Spinnen bauen riesige Gemeinschaftsnetze, jagen zusammen und ziehen ihren Nachwuchs kollektiv groß. In früheren Untersuchungen konnten Pruitt und seine Kollegen bereits zeigen, dass sich die Individuen im Charakter unterscheiden. In ihren Gemeinschaften aus bis zu 100 Tieren gibt es demnach eher sanft veranlagte und vergleichsweise aggressive Mitglieder. Aus der Mischung ergibt sich dann auch ein Grundcharakter der Kolonie. Der Grad der Aggressivität einer Kolonie spiegelt sich demnach in der Geschwindigkeit und Anzahl der Angreifer wider, die auf Beute reagieren, sowie in der Neigung zu Kannibalismus und in der Anfälligkeit der Kolonien für die feindliche Übernahme durch fremde Spinnen.

Stürme formen den Spinnen-Charakter

Im Rahmen ihrer aktuellen Studie sind die Forscher nun der Frage nachgegangen, ob sich die Ausprägung dieser Charaktermerkmale durch die Effekte von Wirbelstürmen verändert. Bei der praktischen Umsetzung orientierten sie sich an Vorausberechnungen der Flugbahnen von Wirbelstürmen: Nachdem der Weg eines Sturms bestimmt worden war, sausten die Wissenschaftler in Gebiete, denen die Katastrophe gerade bevorstand und nahmen dort Stichproben von den Spinnenkolonien. Nachdem der Sturm durchgerauscht war, besuchten sie das jeweilige Untersuchungsgebiet dann wieder und führten erneut Untersuchungen an den Spinnenpopulationen durch.

Die Analyse ergaben: Nach tropischen Wirbelsturmereignissen produzierten Kolonien mit aggressiverem Charakter mehr Nachwuchs, der auch bis in den frühen Winter hinein überleben konnte. Dieser Trend zeichnete sich auch bei Stürmen ab, die sich in Größe, Dauer und Intensität unterschieden, was darauf hindeutet, dass es sich um eine evolutionäre Reaktion handelt, sagen die Wissenschaftler. Sie konnten zudem zeigen, dass in Gebieten, die historisch betrachtet besonders häufig von durchziehenden Stürmen betroffen waren, die Spinnenkolonien grundsätzlich etwas aggressiver veranlagt sind als in weniger sturmgeplagten Bereichen.

Wie Pruitt und seine Kollegen erklären, ist der etwas aggressivere Grundcharakter unter diesen Bedingungen offenbar vergleichsweise vorteilhaft und wird im Rahmen des Selektionsdrucks deshalb verstärkt an Nachkommen weitergegeben. Was der konkrete Aspekt ist, warum aggressive Kolonien im Vorteil sind, nachdem sie Wirbelstürmen ausgesetzt waren, bleibt bislang allerdings unklar. Möglich sei aber, dass durch den Effekt der Stürme der Kampf um Ressourcen intensiver wird, was aggressiveres Verhalten vorteilhaft macht. Wichtig ist den Forschern zufolge aber nun die Grundbotschaft der Studie: „Die Ergebnisse liefern überzeugende Hinweise für den Selektionseffekt tropischer Wirbelstürme auf ein wichtiges funktionelles Merkmal einer Tierart“.

Quelle: McMaster University, Fachartikel: Nature Ecology & Evolution, doi: 10.1038/s41559-019-0951-x

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