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Zusätzliche Klimaerwärmung durch Eisschmelze

Erde|Umwelt

Zusätzliche Klimaerwärmung durch Eisschmelze
Eisberge
Eisberge vor Grönland (Bild: Imagebear/ iStock)

Der menschengemachte Klimawandel gefährdet die Eismassen in den Polar- und Bergregionen der Erde. Wenn sie schmelzen, sorgt dies für eine zusätzliche Erderwärmung. Die Mechanismen sind bereits lange bekannt. Unklar war aber bislang, wie groß der Effekt der verschiedenen Eisschilde ist und welche Rolle Rückkopplungsmechanismen spielen. Das haben Forscher nun anhand eines vereinfachten Erdsystemmodells quantifiziert. Demnach führt die Eisschmelze langfristig zu einer zusätzlichen Klimaerwärmung um etwa 0,43°C. Obwohl sich die Effekte über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinziehen, stellen wir die Weichen dafür innerhalb weniger Jahrzehnte.

Die großen Eisflächen an den Polen und in Bergregionen reflektieren einen Teil des Sonnenlichts zurück in den Weltraum und reduzieren so die Erwärmung der Erde. Seit Ende der 1970er Jahre ist aber beispielsweise die Eisfläche, die im Sommer den Arktischen Ozean bedeckt, pro Dekade um zehn Prozent kleiner geworden. Setzt sich dieser Trend fort, könnte das Sommereis in der Arktis je nach Szenario schon zwischen 2030 und 2050 vollständig verschwunden sein. Ähnlich schlecht steht es um Teile der Eisflächen in der Antarktis, in Grönland und in Berggletscherregionen.

Sonnenlicht wird weniger reflektiert

Forscher um Nico Wunderling vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben nun berechnet, welchen Einfluss das Abschmelzen der Eisschilde auf die weitere Klimaerwärmung hat. „Wenn die globalen Eismassen schrumpfen, verändert dies, wie viel von dem Sonnenlicht, das die Erdoberfläche trifft, zurück in den Weltraum reflektiert wird“, erklärt Wunderling. „Die abnehmende Eisdecke in der Arktis setzt mehr von dem dunkleren Meerwasser frei, das mehr Energie absorbiert. Dies wird als Albedo-Feedback bezeichnet. Es ist wie im Sommer weiße oder schwarze Kleidung zu tragen. Wenn man Dunkel trägt, erwärmt man sich leichter.“

Hinzu kommen weitere Effekte: Durch das schmelzende Eis nimmt der Wasserdampf in der Atmosphäre zu. Dieser wiederum erhöht ähnlich wie Kohlendioxid (CO2) den Treibhauseffekt. Die Grundmechanismen für diese Prozesse sind seit langem bekannt, doch die Potsdamer Wissenschaftler konnten erstmals die Gesamterwärmung berechnen, die der globale Eisverlust auslösen kann. Auf 0,43°C beziffern sie die zusätzliche Erwärmung, falls alle vier untersuchten Eisschilde abschmelzen. Der Anteil einzelner Eisschilde liegt bei 0,05°C für den Westantarktischen Eisschild, 0,13°C für den Grönländischen Eisschild, 0,08°C für Berggletscher und 0,19°C für den Verlust des Sommereises auf dem arktischen Meer. Diesen Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre dem heutigen entspricht, also etwa 400 ppm beträgt. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich für angenommene CO2-Konzentrationen zwischen 280 und 700 ppm.

Langfristige Auswirkungen

„Das ist kein kurzfristiges Risiko. Die Eismassen der Erde sind riesig, was sie für unser Erdsystem als Ganzes sehr wichtig macht – das bedeutet auch, dass sich ihre Reaktion auf den anthropogenen Klimawandel, insbesondere die der Eisschilde auf Grönland und der Antarktis, über längere Zeiträume entfaltet“, sagt Wunderlings Kollegin Ricarda Winkelmann. „Aber selbst wenn einige der Veränderungen hunderte oder tausende von Jahren dauern, ist es möglich, dass wir sie innerhalb weniger Jahrzehnte auslösen.“

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In ihren Computersimulation berücksichtigten die Wissenschaftler auch komplexe Wechselwirkungen: So ist es beispielsweise möglich, dass auch nachdem die massiven Eisdecken an Land geschmolzen sind, der Boden von Schnee bedeckt ist. Dieser würde weiterhin das Sonnenlicht reflektieren und die zusätzliche Erwärmung abmildern. Zusätzlich unterschieden die Forscher zwischen Einflüssen auf das lokale und auf das globale Klima. In der Arktis selbst kann die durchschnittliche Erwärmung demzufolge bis zu 5°C betragen, in der Äquatorregion etwa 0,2°C. „Jedes Zehntelgrad der Erwärmung zählt für unser Klima“, sagt Winkelmann. „Es ist deshalb dringender denn je, Feedbackschleifen und Teufelskreise zu vermeiden.“

Quelle: Nico Wunderling (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-020-18934-3

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