Zwangserkrankungen haben nach neuesten Erkenntnissen viele Ursachen. Ciupka gebraucht das Bild eines Flusses, der sich aus unterschiedlichen Quellen und Nebenarmen speist: Bei den einzelnen Erkrankten sind die Zuflüsse und deren Stärken verschieden und in jedem Fall anders zusammengesetzt.
Solche Störungen können entstehen, indem Menschen Handlungen, die ihnen Nutzen bringen, häufiger verrichten. Exzessive Wiederholungen führen im Laufe der Zeit zu festen Verhaltensweisen. Dieses Lernprinzip ist ein wichtiger Faktor bei Zwangsstörungen. Fast alle Zwangshandlungen erfüllen die Funktion einer Beruhigung für den Betroffenen. Spannungen, Ängste, Ekel und andere negative Gefühle werden abgebaut.
Zwänge zeichnen sich fast immer durch Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit aus. Sie geben so scheinbaren Halt in einer Lebenssituation der Unsicherheit und fehlenden Kontrolle. Wer durch Zwang unangenehme Situationen subjektiv besser meistern kann, wird das immer häufiger tun. Besondere Neigung zu Zwangsverhalten besteht bei eher selbstunsicheren Menschen. Diese handeln mehr nach dem, was die Lage von ihnen erfordert, als nach dem, was sie selber wollen.
Der Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie Jürgen Margraf (Basel) spricht in einem Interview in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift “Psychologie heute” von einer “Flucht in den Zwang”. Zu der komme es vor allem dann, wenn einschneidende Lebensereignisse zu Angst, Aggression oder Depression führen und der Betroffene im Zwang als “selbsterfundener Beschäftigungstherapie” eine Lösung sucht.