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Affen stellen unabsichtlich Steinwerkzeuge her

Geschichte|Archäologie

Affen stellen unabsichtlich Steinwerkzeuge her
Makaken
Makaken beim Nüsseknacken mit Steinen. © Lydia V. Luncz

Um hartschalige Nüsse zu knacken, nutzen Makaken oft Steine. Einige ihrer Werkzeuge zerbrechen beim Einsatz – und weisen spezifische Bruchmuster auf, die große Ähnlichkeit zu prähistorischen Steinwerkzeugen haben. Bisher gingen Paläoanthropologen davon aus, dass unsere frühmenschlichen Vorfahren vor mehr als einer Million Jahre diese Werkzeuge bewusst hergestellt haben. Die Beobachtungen an Makaken stellen diese Annahme nun in Frage.

Die Fähigkeit, komplexe Werkzeuge herzustellen und zu nutzen, gilt als ein wichtiges Kennzeichen des Menschen. Doch wann begannen unsere Vorfahren, Materialien aus ihrer Umwelt nach ihren Bedürfnissen zu gestalten? Als früheste Hinweise auf die bewusste Herstellung von Werkzeugen gelten bis zu 3,3 Millionen Jahre alte Steinartefakte aus Ostafrika. Zahlreiche Hinweise haben Forschende zu der Annahme gebracht, dass unsere Vorfahren die scharfkantigen Steinsplitter absichtlich erzeugt haben: So weisen die Artefakte sehr ähnliche, sich wiederholende Bruchmuster auf und wurden gesammelt an bestimmten Stellen gefunden.

Steinklingen als Zufallsprodukt

Ein Team um Tomos Proffitt vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat nun jedoch festgestellt, dass Makaken im thailändischen Nationalpark Phang-Nga ebenfalls ähnliche Ansammlungen von Steinartefakten hinterlassen, diese jedoch offenbar unabsichtlich herstellen. Um die harten Nüsse von Ölpalmen zu knacken, haben die Affen eine Technik entwickeln, bei der sie eine Nuss auf einen steinernen Amboss legen und mit einem anderen Stein darauf schlagen. Dabei splittern die verwendeten Steine oft auf spezifische Weise. So entstehen klingenartige Werkzeuge, die allerdings von den Makaken nicht weiter verwendet werden.

„Die Tatsache, dass diese Makaken Steinwerkzeuge verwenden, um Nüsse zu verarbeiten, ist nicht überraschend, da sie auch Werkzeuge verwenden, um Zugang zu verschiedenen Schalentieren zu erhalten“, sagt Proffitt. „Interessant ist, dass sie dabei unbeabsichtigt ein umfangreiches eigenes archäologisches Zeugnis produzieren, das sich teilweise nicht von den Artefakten der Homininen unterscheiden lässt.“ Proffitt und sein Team sammelten 1.119 Steinartefakte von nüsseknackenden Makaken an 40 verschiedenen Stellen auf der thailändischen Insel Ya Noi und verglichen diese mit Fundstücken, die der Oldowan-Kultur in Tansania, Kenia und Äthiopien zugeordnet und auf ein Alter von 1,5 bis 3,3 Millionen Jahren datiert wurden.

Steinwerkzeuge
Von den Makaken unabsichtlich produzierte Steinabschläge. © Proffitt et al. 2023/ Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie

Erstaunliche Ähnlichkeit

Ebenso wie die prähistorischen Artefakte waren die gesplitterten Steine der Makaken üblicherweise gesammelt an bestimmten Stellen zu finden, da die Affen oft immer die gleichen Plätze zum Nüsseknacken nutzen und immer wieder neue Steine dorthin bringen. Auch in ihrer Form waren die versehentlich erzeugten Steinabschläge den mutmaßlich bewusst hergestellten Werkzeugen unserer Vorfahren erstaunlich ähnlich, wie Vergleichsanalysen ergaben. Obwohl die Makaken-Artefakte im direkten Vergleich oft etwas kleiner und dicker waren als die Oldowan-Artefakte, wiesen sie eine so hohe Ähnlichkeit auf, dass sich in manchen Fällen Makaken- und Oldowan-Artefakte stärker ähnelten als zwei verschiedene Oldowan-Artefakte untereinander.

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„Die Makaken-Artefakte überschneiden sich erheblich mit den technologischen Merkmalen der Oldowan-Artefakte“, so das Forschungsteam. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass zwischen bis zu 70 Prozent einer Oldowan-Sammlung durch Makaken-Artefakte ersetzt werden können, ohne die zentrale Tendenz der morphologischen und technologischen Parameter der ursprünglichen Sammlung signifikant zu verändern.“ „Die Tatsache, dass diese Artefakte durch Nüsseknacken hergestellt werden können, hat Auswirkungen auf das Spektrum der Verhaltensweisen, die wir mit scharfkantigen Scherben in den archäologischen Aufzeichnungen in Verbindung bringen“, sagt Proffits Kollege Jonathan Reeves.

Interpretation von Artefakten überdenken

Womöglich haben unsere Vorfahren die als Klingen interpretierten Steinwerkzeuge zumindest anfänglich doch nicht bewusst hergestellt. Denkbar wäre, dass die scharfkantigen Steine auch bei ihnen zunächst versehentlich entstanden sind – und sie erst später ihren Nutzen erkannten.
„Die absichtliche Herstellung von Steinwerkzeugen stellt eine adaptive Schwelle dar, die den evolutionären Werdegang unserer Abstammungslinie grundlegend verändert hat. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass wir die Art und Weise, wie wir dieses eindeutig hominine Verhalten in den archäologischen Aufzeichnungen definieren und identifizieren, grundlegend neu bewerten müssen“, schreibt das Forschungsteam. „Ansammlungen von Artefakten heute lebender Primaten können uns dabei helfen, unsere Interpretation der ältesten Artefakte unserer Vorfahren neu zu kalibrieren.“

Quelle: Tomos Proffitt (Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.ade8159

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