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Altlasten aus dem Kalten Krieg in Grönland

Geschichte|Archäologie

Altlasten aus dem Kalten Krieg in Grönland
Altlast aus dem Kalten Krieg: Das nordöstliche Portal von „Camp Century" 1959. (US Army)

In den 1960er Jahre wurde in Grönland ein militärischer Stützpunkt unter dem Eis aufgegeben. Eine internationale Studie mit Beteiligung der Universität Zürich zeigt nun: Durch den Klimawandel könnten gefährliche Abfallstoffe wieder an die Oberfläche gelangen, die eigentlich als für immer unter dem Eisschild begraben betrachtet wurden.

Der amerikanische Militärstützpunkt „Camp Century“ wurde 1959 im ewigen Eis Grönlands errichtet und diente im Kalten Krieg als Testgelände für die Stationierung von Atomraketen. Als der Standort 1967 aufgegeben wurde, ließ man die vorhandene Infrastruktur und die Abfälle in der Annahme zurück, dass sie vom Schnee bedeckt und für immer begraben sein würden.

Doch im Zuge des Klimawandels hat sich die Arktis stärker als jede andere Weltregion erwärmt. Eine neue Studie der kanadischen York University, an der auch die Universität Zürich beteiligt ist, zeigt nun, dass die Eisschicht über „Camp Century“ bis Ende dieses Jahrhunderts abschmelzen könnte. Die Infrastruktur und die zurückgelassenen biologischen, chemischen und radioaktiven Abfälle könnten wieder in die Umwelt gelangen und die umliegenden Ökosysteme schädigen.

Wo liegen welche Abfälle vergraben?

In der neuen Studie inventarisierten die Forschenden die in „Camp Century“ zurückgelassenen Abfälle und führten Klimasimulationen durch. Das Team analysierte die Unterlagen der amerikanischen Armeeingenieure, um herauszufinden, wo und wie tief die Abfälle vergraben worden waren und wie sich die Eisdecke seit den 1950er Jahren bewegt hat.

„Camp Century“, das heute bis zu 35 Meter unter dem Eis liegt, nimmt eine Fläche von 55 Hektar ein. Die Forscher schätzen, dass sich dort 200.000 Liter Dieseltreibstoff befinden. Anhand der in der Arktis damals verwendeten Baustoffe vermuten sie, dass die Anlage mit Polychlorbiphenyl, einem gesundheitsschädlichen Giftstoff, belastet ist. Zudem sind wahrscheinlich 240.000 Liter Abwässer vorhanden, darunter auch schwach radioaktiv belastetes Kühlwasser des damals eingesetzten Kernreaktors.

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Folgen für Umwelt und Politik

Ausgehend von gängigen Klimaprognosen berechneten die Wissenschaftler, dass diese Abfälle keineswegs für alle Zeiten im Eis eingeschlossen sind. „Die Klimaszenarien deuten nicht darauf hin, dass der Schneefall unendlich lange über die Schmelze dominieren wird. Vielmehr könnten wir es schon im Jahr 2090 mit einer Netto-Schmelze zu tun bekommen“, erklärt Mitautor Horst Machguth vom Geographischen Institut der UZH. Dann sei es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Schadstoffe zu tauen beginnen und ins marine Ökosysteme gelangen.

„Vor zwei Generationen war es in etlichen Weltgegenden üblich, Müll zu vergraben. Nun bewirkt der Klimawandel, dass sich die davon betroffenen Orte verändern“, erklärt der Erstautor William Colgan, Klimatologie und Glaziologe an der York University in Toronto. „Das birgt eine ganz neue politische Herausforderung, über die wir uns Gedanken machen müssen.“

Die Studie plädiert jedoch nicht für eine sofortige Abfallbeseitigung. Noch ist der Müll zig Meter unter dem Eisschild verborgen. Zudem wäre die Reinigung teuer und technisch schwierig. Man müsse abwarten, bis die Eisschicht soweit geschmolzen ist, dass die Schadstoffe nur noch knapp unter der Oberfläche liegen. Erst dann sollte man ernsthaft über einen Abtransport nachdenken, so die Wissenschaftler.

Eine Stadt unter dem Eis

Die Geschichte von „Camp Century“ beginnt im April 1951. Damals vereinbarten die USA und Dänemark, Grönland als dänisches Hoheitsgebiet gemeinsam gegen mögliche Angriffe der Sowjets zu verteidigen. 1959 wurde 200 Kilometer landeinwärts von der grönländischen Küste „Camp Century“ eingerichtet. Offizieller Zweck war die Erprobung von Bauverfahren unter arktischen Bedingungen.

Das Camp versuchte im Rahmen eines geheimen Programms den Nachweis zu erbringen, dass der Bau von unter der Eisoberfläche gelegenen Abschussrampen für Atomraketen möglich sei. Außerdem wurden wissenschaftliche Studien zur Ermittlung von Klimadaten durchgeführt. Die Stromversorgung übernahm ein Atomreaktor. Als der Stützpunkt, in dem 85 bis 200 Soldaten stationiert waren, aufgegeben wurde, entfernte man den Kernreaktor, ließ die Infrastruktur und alle übrigen Abfälle jedoch zurück.

Quelle: Universität Zürich
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