Maria Rotundo von der University of Toronto und ihre Kollegen haben 62 Studien über die Auffassung von sexueller Belästigung bei Männern und Frauen durchgesehen. Damit erfassten sie gleichzeitig die Meinungen von 33.164 Befragten. „Männer und Frauen stimmen darin überein, dass sexuelle Nötigung und sexuelle Angebote eine sexuelle Belästigung darstellen“, sagen die Forscher. „Sie sind aber geteilter Meinung, wenn es um eindeutige Witze oder wiederholte Aufforderungen zum Ausgehen geht.“ Warum es diese unterschiedlichen Auffassungen von sexueller Belästigung gibt, ist den Forschern nicht ganz klar. Sie können gewissermaßen angeboren sein, sie können ein Sozialisationsprodukt sein oder einfach zum persönlichen Wertesystem gehören. Es kann ? so die Forscher ? aber auch sein, dass Frauen einfach öfter die Erfahrung gemacht haben, dass das, was anfangs wie ein harmloser Flirt aussah, sich zu einer derben Anmache auswuchs. So nehmen Frauen schon aus Vorsicht eine ablehnende Haltung ein.
Zu diesen Befunden passt auch ein weiterer Unterschied in den Auffassungen von sexueller Belästigung bei Männern und Frauen. Wenn nämlich der Belästiger eine höhere soziale Position als die/der Belästigte, sind Männer und Frauen gleichermaßen der Meinung, dass hier sexuelle Belästigung vorliegt. Befinden sich Belästiger und der / die Belästigte auf gleicher Ebene (Kollegen, Kommilitonen u.ä.), sind Männer deutlich weniger bereit, eine sexuelle Belästigung anzunehmen als Frauen.