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Auf der Suche nach dem Heiligsten der Etrusker

Geschichte|Archäologie

Auf der Suche nach dem Heiligsten der Etrusker
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Vieles vom Leben der einst mächtigen Etrusker (hier eine Grabmalerei) ist in Vergessenheit geraten - so auch die Lage ihres höchsten Heiligtums. Bild: Waterborough, Wikipedia
Jahrhundertelang haben Forscher nach dem verschollenen zentralen Heiligtum der Etrusker, dem Fanum Voltumnae, gesucht. Jetzt glauben italienische Archäologen, es in Umbrien entdeckt zu haben. Tempelanlage, Brunnen und Straßen passen zu dem, was man über die Versammlungsstätte weiß: Sie diente nicht nur als religiöses, sondern auch als politisches Zentrum und war gleichzeitig Veranstaltungsort für große Volksfeste. Die Ausgrabungen der Italiener sollen nun helfen, mehr über das vergessene Leben der Etrusker zu erfahren.

Immer wieder taucht es in lateinischen Inschriften und Texten auf: das „Fanum Voltumnae“, das zentrale und sagenumwobene Heiligtum der Etrusker – eines Volkes, das von etwa 800 bis 100 vor Christus große Teile des heutigen Italiens beherrschte, eine reiche Kultur besaß, regen Handel trieb und von dem man heute trotzdem nur sehr wenig weiß. Das stellt Archäologen wie Simonetta Stopponi von der Universität Macerata vor ein Problem, denn trotz der häufigen Erwähnungen kommt niemals die Lage des Fanum Voltumnae zur Sprache – wohl deswegen, weil diese in der Römerzeit ohnehin jeder kannte. „Es ist, als würde man heute vom Vatikan sprechen. Da weiß auch jeder, dass der in Rom ist“, erklärt Stopponi ihr Dilemma.

Im Laufe der Zeit ging das Wissen um den Standort des Heiligtums jedoch verloren, nicht zuletzt durch die tatkräftige Mithilfe der Römer, die systematisch das etruskische Erbe inklusive Literatur, Bauten und Sprache vernichteten. Doch jetzt hat die Suche möglicherweise ein Ende, berichtet das Magazin „bild der wissenschaft“ in seiner April-Ausgabe: Stopponi und ihr Team haben in Umbrien, in der Nähe der kleinen Stadt Orvieto, eine etruskische Tempelanlage gefunden – und sind davon überzeugt, dass es sich dabei um das langgesuchte Heiligtum handelt.

In der Mitte der Fundstelle befinden sich die Überreste eines zwölf Meter langen und sechs Meter breiten Tempels sowie zwei Brunnen, darum herum verstreut rot und schwarz bemalte Reste von Keramikgefäßen, wie sie für Weihegaben an die Götter verwendet wurden. Zwei Straßen führten vom Tempel weg – eine in Richtung Südwesten zur tyrrhenischen Küste und die andere Richtung Süden in die Hügel der Umgebung. Erstere war von Kanälen gesäumt und mit fünf Metern Breite geräumig genug, dass zwei Karren bequem aneinander vorbeipassten. Die zweite war mit sieben Metern eine wahre Prachtstraße und wurde wahrscheinlich für religiöse Prozessionen genutzt.

Derartige Zufahrtswege hatte das Fanum Voltumnae auch nötig: Es wurde von den Etruskern nicht nur als Gebetsstätte genutzt, sondern war gleichzeitig auch ein politisches Zentrum. „Einmal jährlich, im Frühjahr, trafen sich dort die führenden Priester und Politiker des Landes“, erklärt Stopponi. Denn Etrurien, ein Gebiet, das die heutigen Regionen Toskana, Umbrien und Latium umfasst, war kein zentral regierter Staat, sondern setzte sich aus verschiedenen mächtigen Stadtstaaten zusammen.

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Im 6. Jahrhundert vor Christus schlossen sich zwölf dieser eigentlich unabhängigen Kleinstaaten zu einem losen Bund zusammen und hielten regelmäßig eine Art Gipfeltreffen ab – im Fanum Voltumnae. Dort wurden gemeinsame Ziele definiert, allgemeine Marschrouten abgesteckt und unter anderem auch beschlossen, wer mit Hilfe und Unterstützung rechnen konnte und wer nicht. Entscheidend dafür: die Gunst der Götter, die, wie die Etrusker glaubten, mit geschicktem Verhandeln und den richtigen Opfergaben gesichert werden konnte.

Ob das gelungen war, teilten die Götter dem obersten Priester durch vielerlei Zeichen mit – den Flug der Vögel, die Form von Blitzen oder die Beschaffenheit der Leber von Opfertieren, die sorgfältig bewertet werden musste. Dabei waren die Treffen alles andere als eine trockene politische Angelegenheit, denn sie wurden von einem großen Volksfest samt Sportwettkämpfen, Theateraufführungen und Märkten begleitet.

Was genau auf diesen Festen passierte, kann heute jedoch nur noch teilweise nachvollzogen werden, denn ab dem 3. Jahrhundert vor Christus begann der schleichende Untergang der Etrusker. Eingeleitet wurde er wohl im Jahr 264 von einem Sklavenaufstand im heutigen Orvieto: Die bedrängten Herrscher riefen die Römer zu Hilfe, um mit den Aufständischen fertig zu werden, und läuteten damit ihr eigenes Ende ein. Denn die Römer packten die Gelegenheit, die mächtigen Nachbarn loszuwerden, beim Schopf, vertrieben sie und übernahmen das Fanum Voltumnae als eigenes Heiligtum.

Im Jahr 89 vor Christus wurden die Etrusker schließlich zu römischen Bürgern. Dieses Ende kam für sie selbst nicht überraschend, so „bild der wissenschaft“: Sie glaubten nämlich, dass jede Kultur einen ähnlichen Lebenszyklus aus Geburt, Wachstum und Tod durchmachen muss wie ein Mensch. Ihr eigenes Volk sollte dabei nach einer alten Überlieferung etwa 800 Jahre überleben – eine Schätzung, die verblüffend gut mit der Herrschaftszeit von ungefähr 900 bis 100 vor Christus übereinstimmt.

Die Ausgrabungen bei Orvieto dauern dagegen erst etwa sechs Jahre an. Sie haben zwar bereits eine Vielzahl von Hinweisen darauf ans Tageslicht gebracht, dass die Tempelanlage tatsächlich das Fanum Voltumnae ist. Ein endgültiger wasserdichter Beweis wie etwa eine Inschrift mit dem Namen der Gottheit Voltumna steht jedoch noch aus. Doch Simonetta Stopponi hofft, der Erde auch dieses Geheimnis noch entlocken zu können – zusammen mit anderen, die neue Einblicke in das geheimnisvolle Leben der Etrusker ermöglichen.

Bettina Gartner: „Das Heiligste der Etrusker“, in bild der wissenschaft 4/2007, S. 84 ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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