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Australopithecus-Fossilien älter als gedacht

Südafrika

Australopithecus-Fossilien älter als gedacht
Mrs. Ples
Schädel der Australopithecus-Frau "Mrs. Ples". © Jason L. Heaton/ Birmingham-Southern College

In der Sterkfontain-Höhle in Südafrika wurden so viele Fossilien des Australopithecus gefunden wie nirgendwo sonst. Doch das Alter dieser Vormenschen-Relikte blieb strittig. Jetzt enthüllen neue Datierungen mithilfe von seltenen Isotopen, dass die Fundschichten und die in ihnen konservierten Australopithecus-Fossilien rund eine Million Jahre älter sind als gedacht. Sie sind der neuen Datierung zufolge rund 3,4 Millionen Jahre alt statt wie bisher angenommen nur rund zwei bis 2,6 Millionen Jahre. Damit sind die Vormenschen von Sterkfontain ähnlich alt wie die Vertreter von Australopithecus aus Ostafrika und sogar älter als die berühmte „Lucy“. Dies wirft auch ein neues Licht auf die Evolution dieser Vormenschengattung und ihrer Nachfolger.

Die Höhle von Sterkfontain gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe der „Wiege der Menschheit“ in Südafrika, einer Ansammlung mehrere Höhlen, in denen einzigartige Fossilien von Vor- und Frühmenschen gefunden wurden. In Sterkfontain wurde unter anderem im Jahr 1936 das erste Skelett eines erwachsenen Australopithecus entdeckt. Seither haben Wissenschaftler dort hunderte Fundstücke weiterer Australopithecus-Vertreter gefunden, darunter so berühmte Exemplare wie „Mrs. Ples“ oder „Little Foot“. Letzterer ist das bisher vollständigste bekannte Skelett eines Australopithecus und wurde in einer der tiefer liegenden Kammern der Sterkfontain-Höhle gefunden. Während die Mehrheit der Fossilien vom Australopithecus africanus stammen und in der an der Oberfläche liegenden „Member 4“-Kammer gefunden wurden, stammt „Little Foot“ aus einem tiefer liegenden Höhlenteil.

Neudatierung mittels „kosmogener Nuklide“

Auch wenn die Bedeutung der Sterkfontain-Höhle und ihrer Fossilfunde unstrittig ist, war die Datierung der Funde bisher weniger eindeutig. „In Sterkfontain finden sich mehr Australopithecus-Fossilien als irgendwo sonst auf der Welt“, sagt Erstautor Darryl Granger von der Purdue University in den USA. „Aber es ist schwer, sie korrekt zu datieren.“ Bisherige Datierungsversuche basierten auf der Altersbestimmung von Tierknochen, die in unmittelbarer Nähe der Fossilien gefunden wurden. Sie ergaben weit differierende Altersdaten zwischen einem und vier Millionen Jahren. Eine Uran-Blei-Datierung von Kalkablagerungen und Tropfsteinen aus der fossilienreichsten „Member 4“-Kammer ergab hingegen ein Alter von nur zwei bis 2,65 Millionen Jahren. Das allerdings würde bedeuten, dass diese Australopithecus-Vertreter noch zeitgleich mit den ersten Vertretern der Gattung Homo in Südafrika lebten. Granger und sein Team vermuteten daher, dass sowohl Tierknochen wie auch die Kalkablagerungen nicht das Alter der Fossilien widerspiegeln, sondern sich erst später in der Höhlenkammer angesammelt haben.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler eine neue Datierung auf Basis einer anderen Methode vorgenommen. Sie analysierten die steinernen Anhaftungen der Fossilien auf ihren Gehalt an bestimmten seltenen Isotopen hin. Diese sogenannte kosmogenen Nuklide Aluminium-26 und Beryllium-10 entstehen im gesteinsbildenden Mineral Quarz, solange dieses an der Erdoberfläche der energiereichen kosmischen Strahlung ausgesetzt ist. „Als diese Gesteine zusammen mit den Fossilien in die Höhle fielen, begann ihr radioaktiver Zerfall“, erklärt Granger. Der Gehalt dieser Isotope verrät daher, wie lange dieses die Fossilien umhüllende Gestein schon von darüberliegenden Ablagerungen bedeckt ist. „Mit dieser Methode können wir urzeitliche Menschen und ihre Verwandten genauer einer korrekten Zeitperiode zuordnen“, so der Forscher. Auf Basis dieser Methode hatte das Team bereits im Jahr 2015 das berühmte Skelett von „Little Foot“ neudatiert – auf ein Alter von bereits 3,7 Millionen Jahren.

Älter als „Lucy“

Für die „Member 4“-Kammer von Sterkfointain und die in ihr gefundenen Australopithecus-Fossilien ergab die neue Datierung: Die Höhle und ihr Inhalt sind rund 3,41 Millionen Jahre alt – rund eine Million Jahre älter als bisher gedacht. Die Vormenschen von Sterkfontain waren demnach keine Nachzügler ihrer Gattung, sondern eher frühe Vertreter der Australopithecinen. „Die neue Datierung spricht dafür, dass die Homininen von Sterkfontain Zeitgenossen der anderen frühen Australopithecus-Arten waren, darunter dem Australopithecus afarensis in Ostafrika“, sagt Co-Autor Dominic Stratford von der University of the Witwatersrand in Johannesburg. „Damit verschiebt die Datierung das Alter auch eines der bekanntesten Fossilien Südafrikas, von Mrs. Ples, eine Million Jahre in die Vergangenheit.“ Diese Vormenschenfrau, von der nur ein Schädel erhalten ist, könnte demnach sogar älter sein als das berühmte Skelett der 3,2 Millionen Jahre alten „Lucy“, die in Ostafrika gefunden wurde und der Art Australopithecus afarensis angehörte.

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Nach Ansicht des Forschungsteams beeinflusst die Umdatierung der Fossilien von Sterkfontain auch die Vorstellung von der Evolution der Menschenvorfahren in Afrika. Denn neben Ostafrika war demnach auch Südafrika schon früh eines der Zentren der Entwicklung. „Die Neubewertung des Alters der Australopithecus-Fossilien aus Member 4 in Sterkfontain hat erhebliche Bedeutung für die Rolle Südafrikas in der Evolution der Homininen“, sagt Stratford. Denn bisher habe man die Sterkfontain-Australopithecinen für zu jung gehalten, um die direkten Vorfahren der ganz in der Nähe gefundenen Fossilien von Paranthropus und ersten Vertretern der Gattung Homo gewesen zu sein. „Daher dachte man, dass sich Homo und Paranthropus in Ostafrika entwickelt haben müssen“, so der Forscher weiter. Aber jetzt wird klar, dass diese Gattungen fast eine Million Jahre Zeit hatten, sich in Südafrika aus den vor Ort existierenden Australopithecus-Arten zu entwickeln. „Die Neudatierung wird daher zweifellos die Debatte darüber neu entfachen, ob die Australopithecus-Vertreter aus Sterkfontain die Vorfahren der späteren Homininen in Südafrika gewesen sein könnten“, sagt Granger.

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2123516119

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