Für unsere frühen Vorfahren war die Sache noch einfach: Der männliche Bart war naturgegeben und ein klares Zeichen der Reife. Bekamen Jungen ihren ersten Bartwuchs, wurden sie zum Mann und damit auch für Frauen zum potenziellen Partner. Seither aber hat sich einiges geändert, die Gesichtsbehaarung des Mannes ist genauso der Mode unterworfen wie die Kleidung. Allein in den letzten 150 Jahren hat sich die bevorzugte Barttracht mehrfach geändert: „1853 erreichten Koteletten ihren Höhepunkt in Häufigkeit und Popularität, 1877 kamen Schnurrbärte dazu“, berichten Zinnia Janif von der University of New South Wales in Sydney und ihre Kollegen. 1892 waren dagegen Vollbärte die große Mode, 1917 bis 1919 dann wieder Schnurrbärte. Jede Barttracht nahm zunächst langsam zu, erreichte einen Höhepunkt und wurde dann von einem anderen Stil abgelöst.
Die Anziehungskraft des Seltenen
Was aber war der Auslöser dafür? Für die Forscher lag eine mögliche Antwort auf der Hand: die Frauen sind es. Bevorzugen sie einen bestimmten Stil, setzt er sich im Laufe der Zeit bei den Männern durch – denn er verschafft ihnen Erfolg bei der Partnerwahl. Doch Janif und ihre Kollegen vermuteten noch einen weiteren Effekt: die Attraktivität des Seltenen. Demnach müsste eine Barttracht immer dann besonders herausstechen und attraktiv wirken, wenn sie gerade nicht der gängigen Mode entspricht. Dieser Effekt sorgt dann im Laufe der Zeit dafür, dass diese Barttracht allmählich zum Trend wird.
Für ihr Experiment teilten die Forscher ihre Teilnehmer – 1.453 Frauen und 213 Männer – zunächst in drei Gruppen ein. Der ersten zeigten sie nur Bilder von verschiedenen glattrasierten Männern und baten sie, diese nach ihrer Attraktivität zu bewerten. Die zweite Gruppe erhielt nur bärtige Männer und die dritte eine ausgewogene Mischung aller Behaarungstypen – glattrasiert, mit kurzen oder längeren Stoppeln oder bärtig. Dann folgte der eigentliche Test: Jeder Proband erhielt nun erneut eine Serie von zwölf Portraitfotos, die drei Beispiele von jedem der vier Behaarungstypen zeigten. Wieder sollte die Attraktivität bewertet werden.
Stoppeln und Bart bevorzugt
Das Ergebnis zeigte verblüffend deutlich, wie stark die Vorprägung die Vorlieben der Teilnehmer beeinflusste: Hatten sie im ersten Testteil nur glattrasierte Männer bewertet, stuften sie im zweiten Teil die bärtigen und langstoppeligen Portraits als besonders attraktiv ein. Umgekehrt erhielten die glattrasierten und nur leicht stoppeligen Männerportraits mehr Zuspruch, wenn die Versuchspersonen zuvor nur bärtige Männer gesehen hatten. „Das zeigt, dass die Attraktivität der Gesichtsbehaarung durch die Häufigkeit des Sehens beeinflusst wird“, erklären die Forscher. Dies kann erklären, warum im Laufe der Zeit die Moden in puncto Gesichtsbehaarung immer wieder wechseln: Weil die Attraktivität eines eher selteneren Stils steigt, ahmen immer mehr Männer diese Bartmode nach, bis sie schließlich zum Mainstream wird – und damit wieder an Attraktivität verliert.
Aber der Einfluss der Häufigkeit reicht offenbar nicht so weit, dass er unsere Grundvorlieben komplett umkehrt: Trotz der Vorprägung rangierten in allen Gruppen die glattrasierten Männer ganz hinten, wie die Janif und ihre Kollegen berichten. Zwar bekamen sie mehr Punkte, wenn ihr Typ seltener war. Dennoch blieben sie in der relativen Rangfolge der Attraktivität immer hinter den stoppelbärtigen und bärtigen Männern zurück. Ein möglicher Grund: In unserer heutigen Gesellschaft erscheinen bärtige Männer offenbar als älter, maskuliner und sozial dominanter – trotz oder gerade wegen der vorherrschenden Glattrasur. Das könnte eine von unseren Vorfahren ererbte Einschätzung sein. Möglich wäre aber auch, dass die Teilnehmer durch die vielen glattrasierten Männer in ihrem Alltag so stark vorgeprägt waren, dass selbst der erste Testdurchgang nicht reichte, um diesen Effekt aufzuheben.
So oder so: Für Männer könnte es sich lohnen, den Rasierer mal ein paar Tage wegzulassen. Denn Stoppeln und auch ein Bart scheinen – zumindest im Moment – der Weg zum Herzen der Frauen.