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Brachte Dürre die Hethiter zu Fall?

Paläoklima & Geschichte

Brachte Dürre die Hethiter zu Fall?
Blick auf die Überreste des Löwentors in der Befestigungsmauer der hethitischen Hauptstadt Hattusa. © Benjamin Anderson

Warum kam nach 500 Jahren plötzlich das Aus für die geheimnisvolle Großmacht der Bronzezeit? Beim Zusammenbruch des Hethiterreichs um 1200 v. Chr. spielten möglicherweise klimatische Faktoren in Kleinasien eine wichtige Rolle, berichten Forscher. Aus Untersuchungen der Ringstrukturen von Holzfunden geht hervor, dass die Region ab 1198 v. Chr. von drei schweren Dürrejahren in Folge heimgesucht wurde. Diese extreme Belastung könnte möglicherweise entscheidend zum Kollaps des komplexen Staatssystems der Hethiter beigetragen haben, sagen die Wissenschaftler.

Neben den Ägyptern, Griechen und Assyrern waren sie die vierte Großmacht im östlichen Mittelmeerraum der Bronzezeit. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung kontrollierten die Hethiter von ihrer Hauptstadt Hattusa aus große Teile des Gebiets der heutigen Türkei sowie Bereiche bis ins heutige Israel. Sie unterhielten auch diplomatische Kontakte und Handelsbeziehungen mit den anderen Mächten ihrer Ära – und führten mit ihnen Kriege. Berühmt ist etwa die Schlacht bei Kadesch (1274 v. Chr.) gegen die Ägypter. Rund 500 Jahre lang spielte das Reich der Hethiter eine wichtige Rolle auf der Bühne der Geschichte.

Paläoklimatischen Entwicklungen auf der Spur

Doch dann kam um 1200 v. Chr. unter bisher nicht geklärten Umständen das Aus: Der Staat zerbrach und die Hauptstadt Hattusa wurde schließlich sogar verlassen. Für diesen abrupten Kollaps wurden verschiedene Faktoren verantwortlich gemacht – militärische Niederlagen oder interne Machtkämpfe führten möglicherweise zum Ende. Eine weitere Rolle könnten allerdings auch gesellschaftliche Probleme im Zusammenhang mit Hungersnöten in Folge von Klimaeffekten gespielt haben. Dieser Möglichkeit sind die Forscher um Sturt Manning von der Cornell University in Ithaca im Rahmen ihrer Studie genauer nachgegangen.

Um Einblicke in die Klimabedingungen in Zentralanatolien zur fraglichen Zeit zu gewinnen, wendeten die Forscher dendrologische Verfahren an: Sie untersuchten Holzbalken von Wacholderbäumen, die aus einem Grabhügel 230 Kilometer westlich von Hattusa stammen. Sie wurden dort Jahrhunderte nach dem Untergang des Hethiterreichs verbaut, stammten aber von Bäumen, die bereits in der Ära ihrer Herrschaft gewachsen waren. Das Team untersuchte die Merkmale der datierbaren Ringstrukturen des Holzes und unterzogen sie zusätzlich einer Isotopenanalyse. Im Verhältnis der verschiedenen Atomsorten des Kohlenstoffs spiegelt sich die Wasserversorgung der Pflanze zu bestimmten Zeiten wider.

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Drei extreme Dürrejahre zur Zeit des Kollapses

Wie die Forscher berichten, zeichnete sich grundsätzlich ab, dass das Klima in der Region in der Spätzeit der Hethiter-Ära immer trockener wurde. In diesem Rahmen gab es allerdings eine besonders harte Phase, die genau zum Zeitfenster des Kollapses des Hethiterreiches passt: In den drei Jahren von 1198 bis 1196 v. Chr. herrschte extreme Dürre. „Wir haben dazu zwei sich ergänzende Hinweise“, sagt Manning. „Die schmalen Jahresringe deuten darauf hin, dass der Baum um sein Überleben gekämpft hat. In der Region ist der einzige plausible Grund dafür, dass es wenig Wasser gab. Es herrschte also Dürre und diese ist drei Jahre in Folge besonders schlimm. Die aus den Jahresringen gewonnenen stabilen Isotope bestätigen diese Erklärung zusätzlich“, sagt Manning.

Den Forschern zufolge belegen Überreste von Kornspeichern zwar, dass die Hethiter prinzipiell auf die Überbrückung von schlechten Zeiten eingerichtet waren. Außerdem nutzten sie Dämme und Bewässerungssysteme, um mit Wasserknappheit zurechtzukommen. Doch möglicherweise reichten diese Anpassungen im Fall des Extremereignisses nicht mehr aus. Bei drei aufeinanderfolgenden Dürrejahren könnten Hunderttausende von Menschen, einschließlich der riesigen hethitischen Armee, von einer Hungersnot betroffen gewesen sein, sagen die Wissenschaftler. Möglicherweise verursachte dies Dominoeffekte: Als Folge könnten die alten Machtsysteme der Hethiter unwiederbringlich zusammengebrochen sein.

In welchem Zustand das Klimaereignis die Gesellschaft traf und welche weiteren Aspekte im Spiel waren, bleibt zwar unklar. Doch vor dem Hintergrund der zeitlichen Korrelation liegt nahe, dass diese besondere Dürreperiode eine erhebliche Bedeutung für den Zusammenbruch des Reichs hatte. „Solche Extremereignisse können selbst gut organisierte, widerstandsfähige Gesellschaften aus dem Gleichgewicht bringen“, so Manning. Damit richtet er abschließend den Blick von der Vergangenheit auf unsere vom Klimawandel bedrohte Zukunft. „Auch wir könnten auf Herausforderungen zusteuern, für die unsere Anpassungsfähigkeit nicht mehr ausreicht“, so der Wissenschaftler.

Quelle: Cornell University, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05693-y

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