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China: Reisbier zu Ehren der Toten

Geschichte|Archäologie

China: Reisbier zu Ehren der Toten
Gefäße
9000 Jahre alte Trinkgefäße und Essschalen. (Bild: Jiajing Wang)

Schon vor 9000 Jahren brauten die Menschen im alten China eine Art Bier aus Reis, Wildgras und Knollen, wie Rückstände in Trinkgefäßen aus einem Grabhügel belegen. Sie sind eines der ältesten Zeugnisse für die Bierherstellung weltweit. Vermutlich stellten die Jäger und Sammler dieser Region am Jangtse-Fluss dieses Reisbier nur zu speziellen Anlässen her: In diesem Fall deutet der Fund der Trinkgefäße neben zwei Gräbern auf eine Art rituellen Toten-Umtrunk hin.

Die Herstellung alkoholischer Getränke durch Fermentation hat eine lange Tradition: Schon vor rund 4000 Jahren tranken die Sumerer einen vergorenen Getreidesaft, im Nahen Osten zeugen archäologische Funde davon, dass fermentierte Getränke schon von frühen Jägern und Sammlern zu rituellen Anlässen und bei Festen konsumiert wurde. Und auch in Fernost waren bierähnliche Getränke schon vor Jahrtausenden beliebt: Reste einer rund 5000 Jahre alten Brauerei belegen, dass die Menschen im alten China damals schon eine Art Bier aus Gerste, Hirse und Pflanzenwurzeln brauten.

Trinkgefäße im Grabhügel

Noch deutlich ältere Belege für bierähnliche Getränke haben nun Archäologen um Jiajing Wang vom Dartmouth College in New Hampshire und seine chinesischen Kollegen im Süden Chinas entdeckt. Im fruchtbaren Gebiet von Shangshan am Jangtse-Fluss liegt einer der ältesten aus China bekannten neolithischen Siedlungskomplexe. Dort ließen sich frühe Bauern schon vor rund 10.000 Jahren nieder und vollzogen den allmählichen Übergang zur Reisdomestikation und zum gezielten Reisanbau. Bei Ausgrabungen nahe Qiaotou stießen Wang und sein Team auf einen vor rund 9000 Jahren aufgetürmten Hügel von rund 80 Meter Länge und 50 Meter Breite, der von einem menschengemachten Graben umgeben war.

Im Inneren des Hügels fanden die Forscher zwei menschliche Gebeine, außerdem mehrere Gruben mit Keramikgefäßen als Grabbeigaben. Einige dieser Trinkgefäße und Schalen waren mit abstrakten weißen Mustern verziert. Wie Wang und sein Team berichten, könnte es sich sogar um die ältesten bemalten Töpferwaren weltweit handeln. Doch noch interessanter als die Gefäße ist der Zweck, dem sie einst dienten. Um diesen herauszufinden, haben Wang und seine Kollegen die Rückstände im Inneren der Trinkgefäße näher untersucht. Dabei suchten sie im Speziellen nach Mikrofossilien wie Stärkekörnchen und versteinerten Pflanzen- und Pilzresten.

Bier aus Reis, Wildgras und Knollen

„Prähistorische Gebräue ähneln einer Art Porridge und enthalten unlösliche Materialien wie Stärke und andere Pflanzenstoffe, die im Brauprozess nicht vollständig abgebaut werden“, erklären die Forscher. „Wenn ein Gefäß in Kontakt mit getreidebasiertem Alkohol war, erwarten wir daher, zwei Arten von mikroskopisch beobachtbaren Komponenten zu finden. Das eine sind Stärkekörnchen, die durch Hitze und enzymatische Abbauprozesse verändert wurden. Das andere beinhaltet Zucker und Fermentations-Hilfen oder ihre Vorläufer, wie Getreidemalz, typische Schimmelpilze wie Aspergillus, Rhizopus und Mucor, sowie Kräuter und Hefen.“

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Tatsächlich ergaben die Analysen, dass die 9000 Jahre alten Trinkgefäße aus Qiaotou sowohl Rückstände von Stärkekörnchen als auch von mikrobiellen Fermentationshelfern aufwiesen. „Unserer Ergebnisse enthüllen, dass diese Gefäße einst eine Art Bier enthielten – ein fermentiertes Gebräu aus Reis, einem Wildgetreide namens Hiobstränengras (Coix lacryma-jobi)) und noch nicht identifizierten Pflanzenknollen“, sagt Wang. Weil die Reisrückstände den größten Anteil hatten, handelte es sich vermutlich im eine frühe Variante eines Reisbiers. „Wahrscheinlich schmeckte dieses urzeitliche Gebräu süß, war nur leicht fermentiert und trüb in der Farbe“, so Wang.

Trinken als sozialer Akt

Angesichts der Tatsache, dass die Gefäße in einem Grabhügel und abseits der Siedlung gefunden wurden, gehen die Archäologen davon aus, dass dieses Reisbier für die Menschen damals kein Alltagsgetränk war. Stattdessen wurde es im Rahmen von rituellen Anlässen konsumiert – in diesem Falle höchstwahrscheinlich einem Begräbnis. Denn das Trinken von Alkohol ist in vielen Gesellschaften ein sozialer Akt, der eine große kulturelle und politische Bedeutung hat, wie die Forscher erklären. In der Jäger-und-Sammler-Gemeinschaft von Qiaotou könnten solche rituellen Umtrunke dazu beigetragen haben, die sozialen Bindungen in der Gemeinschaft zu stärken. „Qiaotou liefert uns ein frühes Beispiel für soziales Trinken aus einem prä-agrikulturellen, egalitären Kontext“, so Wang und sein Team.

Quelle: Dartmouth College; Fachartikel: PLoS One, doi: 10.1371/journal.pone.0255833

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