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Das einzige Museum für Volkskunst in Deutschland wird wiedereröffnet

Alltag in Zeiten des Wiederaufbaus

Das einzige Museum für Volkskunst in Deutschland wird wiedereröffnet

Zum Ende ihres Jubiläumsjahres 2010 warten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit einer weiteren Wiedereröffnung auf: Im Jägerhof öffnet das Museum für Sächsische Volkskunst mit Puppentheatersammlung am 27. November 2010 wieder seine Pforten. Dank einer Summe von rund 1,5 Mio. Euro aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung konnte der Jägerhof grundlegend saniert und modernisiert, energetisch optimiert und behindertengerecht ausgebaut werden. Wieder einmal hat der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, der mehrere Baustellen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gleichzeitig zu bewältigen hatte, im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen in Rekordzeit hervorragende Arbeit geleistet. Nach rund 10-monatiger Schließung präsentiert sich jedoch nicht nur der Bau in neuem Gewand. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Modernisierung war für Dr. Igor Jenzen, Direktor des Hauses seit 2004, auch Anlass, das inhaltliche Konzept in Respekt vor den Traditionen behutsam zu modernisieren.

Die Neukonzeption der Sammlungspräsentation beginnt im Erdgeschoss mit der Erklärung, was Volkskunst ist. Dazu kehrt man zunächst an die Wurzeln zurück, die in der Kunstgewerbebewegung der Zeit vor 1900 liegen. So erlebt der Besucher im Erdgeschoss, was Oskar Seyffert, Professor an der Kunstgewerbeschule Dresden, Maler und Museumsgründer, unter dem Begriff verstand. Er sah in der Volkskunst ein Gegenkonzept zum damals in Verruf geratenen Kunstgewerbe und vertrat damit einen seinerzeit revolutionären Ansatz. Ihm ist eine eigene Abteilung gewidmet. Eine komplette Umgebindestube, eingerichtet nach den Originalfotos von Oskar Seyffert, zeigt beispielhaft seine Kunst der malerischen Raumcollagen. Die Ausstellung verfolgt weiterhin die verschiedenen Aspekte des weiten Bereichs der Volks-kunst von der einfachen Handwerkskunst und den typischen Produkten der sächsischen Heimgewerbe, über die Fertigkeiten der traditionellen Handarbeiten bis zu den individuellen Bemühungen, durch Gestaltung die Requisiten des Alltags zu verschönern. Die Regionalgebundenheit der Volkskunst wird am Beispiel der sächsischen Keramik technisch, stilistisch, markt- und zunftspezifisch durchgespielt.

Tod, Liebe und Glaube sind die traditionell wichtigsten Anlässe für volkskünstlerische Leistungen. Der Höhepunkt dieser Abteilung ist ein mechanisches Figurentheater aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das nun erstmals in Gänze präsentiert werden kann und dessen sieben im Halbkreis angeordnete Szenen die Leidensgeschichte Christi zeigen. Dieses mechanische Wunderwerk mit seinen dramaturgisch höchst effektvollen Bewegungsabläufen führt zurück in die Zeit vor der Erfindung des Films, als man versuchte, das Leben durch die Mittel der Mechanik abzubilden.

Die Präsentation im ersten Obergeschoss, die bereits 2006 überarbeitet worden war, bleibt in ihrer jetzigen Form bestehen. Wie schon zuvor in der Sammlungsschau des ersten Obergeschosses und in der Puppentheatersammlung im Dachgeschoss finden neugierige Kinder jetzt auch im Erdgeschoss einen eigenen Kinderpfad mit Anfass-, Ausprobier- und Spielmöglichkeiten. Das Museum für Sächsische Volkskunst versteht sich nicht nur als poetischer Ort für Liebhaber und Flaneure, sondern vor allem auch als lebendiges Familienmuseum. Als solches verführt es zur Eigeninitiative, dazu, „selber Hand anzulegen“, was in Zeiten der industriell vorgefertigten Lösungen für nicht vorhandene Probleme ein wundervoll subversiver Ansatz sein kann.

Während das Konzept der Volkskunst in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zur Bedeutungslosigkeit verkümmerte, füllte die DDR das alte Thema mit neuen Inhalten. Die Volkskunst galt im Sozialismus als Kunst der arbeitenden Klasse und als Ausweis ihrer kulturellen Kompetenz. Folgerichtig wurden Schnitz-, Mal- und Klöppelkurse organisiert, die neben aller mehr oder weniger deutlich hervorgebrachten Ideologie durch kompetente Künstler gründliche Unterweisung in den entsprechenden Techniken und solide Grundkenntnisse in der Kunst vermittelten. In dieser fundierten Unterweisung liegt die Erklärung dafür, dass das Konzept der Volkskunst in den neuen Bundesländern immer noch als selbstverständliche und anerkannte Variante der Kunst- und Kulturszene betrachtet wird. Das „Selber-Hand-Anlegen“, das zu DDR-Zeiten eine oft genug „erzwungene“ Tugend war, z. B., weil man die professionellen Nussknacker aus dem Erzgebirge einfach nicht erwerben konnte, dieses „Selbermachen“ konnte und kann noch immer der Anfang sein zu einem kreativen Schaffen, das entweder sich selbst genügt oder ein Publikum findet. Dieser Variante des großen weiten Volkskunstbegriffs, der autodidaktischen Kunst, widmet sich eine besonders anregende Abteilung der neuen Ausstellung.

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Das Museum für Sächsische Volkskunst ist Deutschlands einziges Museum für Volkskunst. Es wurde 1896 von Oskar Seyffert gegründet und 1913 im Jägerhof eröffnet. Zudem ist im Jägerhof eine der weltweit größten Puppentheatersammlungen beheimatet. Im Reigen der weltberühmten Sammlungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden stellt das Museum für Sächsische Volkskunst mit Puppentheatersammlung eine besondere Perle dar, die es nun neu zu entdecken gilt.

Quelle: Dr. Stephan Adam
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