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Das Tier und der Mensch

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Das Tier und der Mensch

Noch bis zum 6. November 2011 ist im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt die Ausstellung „Das Tier und der Mensch – Gemälde und Graphik von Wilhelm von Kobell bis Franc Marc“ zu sehen. Die Ausstellung thematisiert das facettenreiche Verhältnis von Tier und Mensch in Malerei und Graphik des 19. Jahrhunderts: Das Tier wird als bester Freund des Menschen, als Prestigeobjekt, in idyllischer Landschaft, als Ausdruck eines gesteigerten Naturgefühls oder als Handelsware und Nutztier gezeigt. Die Ausstellungsmacher haben 141 Werke von 100 Künstlern, davon 61 Gemälde und 80 Zeichnungen, Skizzen und historische Photographien zusammengetragen. Neben einigen Sonderleihgaben aus Privatbesitz bildet die Sammlung des Industriellen und Kunstsammlers Georg Schäfer, der von 1896 bis1975 lebte, das Fundament der Ausstellung.

Die am lebenden Modell Tier gestalteten Gemälde aus der München Malerschule verstanden sich als Gegenentwurf zur anthropozentrischen Weltsicht. Der Münchener Landschafts- und Tiermaler Anton Braith, der von 1835 bis 1905 lebte, malte vorzugsweise Nutztiere wie Kühe, Rinder, Schafe und Ziegen. Braith inszenierte die Tiere im friedlichen Zusammenleben der Herde, um ein idyllisches Gegenbild gegenüber der industrialisierten Welt zu konstruieren.

Eine Ausstellung über Tier und Mensch kann natürlich die christliche Malerei nicht ausklammern, die biblische Tierszenen thematisiert. Der Maler Wilhelm Schirmer brachte in seinem Gemälde von 1855/56 die Strandung der Arche Noah und damit die Errettung ausgewählter Tierarten zur Darstellung. Im Gemälde „Der Sündenfall“ von 1855/56 wurde die Schlange, ganz im Sinne der traditionellen christlichen Ikonographie, als Inkarnation des Bösen inszeniert. Eine Verbildlichung der Apokalypse durch Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld sollte unter dem Titel „Der letzte Mensch“ das Ende der menschlichen Herrschaft über die Tierwelt verdeutlichen: Während die Tiere ihre ursprüngliche leibliche Gestalt besitzen und untereinander verschieden sind, sind vom Menschen nur hoffnungslose Skelette übrig geblieben.

Unter dem Titel „Das andere Tierstück“ wird neben Darstellungen von Viehhandel- und Viehtransportszenen auch Witziges gezeigt. Johann Friedrich Voltz vereinte in seinem 1853 entstandenen Gemälde „Der Maler in Nöten“ Dramatisches in der Form eines aufziehenden Gewitters mit Situationskomik: Der Künstler wird vom eigenen Modell, einem Stier, gejagt. Er kann sich gerade noch auf einen Felsen flüchten, während der Stier die Malutensilien zerstört. Bei Votz betreibt der Künstler das Naturstudium und erweist sich trotzdem als naturunkundig. Die Tölpelhaftigkeit des Künstlers wird dadurch ersichtlich.

Franz Marc hingegen war kein Tiermaler im engeren Sinn. Vielmehr entwickelte sich seine Bildsprache von einer irdischen zu einer kosmischen Welt. Seine Arbeit, die sich vom Menschen abwandte, steht in dieser Ausstellung für die Relativierung des Menschen an sich. In seinem Gemälde „Große Landschaft I“ von 1909 arbeitet Marc mit wellenartiger Energie. Die Farbkombination Gelb-grün-violett verleiht der Landschaft eine geistige Aura. Die Pferde – in rot, Marcs Farbe der Materie – sind Gast und Betrachter am Rande.

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Insgesamt spiegelt die Sammlung eine interessante kulturgeschichtliche Entwicklung des. 19. Jahrhunderts. Die Individualität, die porträthaften, fast schon menschlichen Züge, mit denen Maler wie Johann Christian Reinhart, Ludwig Hartmann oder Anton Braith ihre Tierdarstellungen versehen, ist auch vor dem Hintergrund von Diskursen über das Verhältnis von Tier und Mensch zu verstehen. Hatte der französische Philosoph René Descartes im 17. Jahrhundert Tiere als seelenlose Automaten betrachtet, stellte sich im 19. Jahrhundert – durch Darwins Werke „Die Entstehung der Arten“ und „Die Abstammung des Menschen“ befördert – die Frage nach der Verwandtschaft von Mensch und Tier. Schon 1840 forderte Peter Scheitlin in seiner „Thierseelenkunde“, die „widernatürlich Kluft […]zwischen Thier und Mensch kleiner [zu] machen“ und „Achtung und Liebe für die niedrigen Wesen [zu] lehren.“ Mit der Deutung, dass Tiere eine Seele hätten, wurden auch ethische Fragen fokussiert. Bereits 1837 wurde in Deutschland der erste Tierschutzverein gegründet, 1892 existierten 191 Verordnungen gegen Tierquälerei. Auch die Funktion des Tieres wandelte sich: Insbesondere Katze und Hund avancierten, nachdem sie mit der Urbanisierung ihre Aufgaben als Wächter- und Mäusejäger verloren hatten, zu Streichel- und Schoßtieren. Das Ergebnis ist ein freundschaftliches Tier-Mensch-Verhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten.

Quelle: Felix Nothdurft
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