Geographen der Universität Leipzig haben den Karlsgraben zusammen mit Kollegen aus Jena, München und Osnabrück mithilfe archäologisch-historischer und geoarchäologischer Methoden untersucht. „Unsere Voruntersuchungen hatten in den vergangenen Jahren bereits nahegelegt, dass viele der bislang publizierten Hypothesen neu zu bewerten sind“, sagt Christoph Zielhofer von der Universität Leipzig. „Unser Ziel war es nun, das wasserbauliche Konzept des Karlsgrabens zu rekonstruieren. Dazu haben wir den Kanal, dessen Sohle heute metertief unter der Erde liegt, mit 60 Rammkernbohrungen sondiert.“
Die Forscher konnten nachweisen, dass die Konstruktion mindestens 2.300 Meter lang war. Der Kanal besaß eine Wassertiefe von 60 bis 80 Zentimetern und eine Breite von fünf bis sechs Metern. Für die wenig tiefgründigen Frachtschiffe der damaligen Zeit reichte dies aus – auch die Beförderung tonnenschwerer Güter war möglich, sagen die Forscher. Ihnen zufolge war der Bau auch ausgesprochen clever konzipiert: Der Verlauf und die rekonstruierte Grabensohle des karolingerzeitlichen Kanals berücksichtigten deutlich die hydrogeologischen Ausgangsbedingungen, sodass die natürlichen Potenziale der Wasserzuführung geschickt genutzt werden konnten.
Ein ausgeklügeltes Konzept
Tonige Verfüllungen der Grabensohle und die zahlreichen Vorkommen von Faulschlämmen belegen, dass der Kanal über mehrere Jahrhunderte in weiten Bereichen tatsächlich mit Wasser gefüllt war. „Die Niveaus und Datierungen der rekonstruierten Grabensohle belegen die frühmittelalterliche Anlage abgestufter Staubecken“, berichtet Zielhofer. „Wir haben es definitiv mit einem ausgeklügelten hydrologischen Konzept zu tun. Unter anderem können wir nun nachweisen, dass die wasserbaulichen Pioniere des Frühmittelalters die Wasserscheide künstlich verlagert haben, um die Scheitelhöhe des Kanals mit ausreichend Wasser versorgen zu können.“
Die Wissenschaftler gehen nun davon aus, dass die frühmittelalterliche Tiefe der nun in weiten Bereichen bekannten Kanalsohle für ein funktionierendes Bauwerk zur Überquerung der natürlichen Wasserscheide ausreichte. Bei einer Frage müssen die Forscher aber weiterhin passen: Ob jemals Schiffe auf dem Kanal fuhren, bleibt unklar. Auch ist der eigentliche Anschluss des Kanals an die Altmühl und damit an den frühmittelalterlich schiffbaren Donauraum bisher noch nicht gefunden worden.
Die Details ihrer Erkenntnisse haben die Forscher nun in der frei zugänglichen Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht. Wer sich für das frühmittelalterliche Projekt interessiert, kann sich von den Forschungsarbeiten derzeit ein Bild machen: Bis zum 10. Oktober ist im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München die Ausstellung „Großbaustelle 793. Das Kanalprojekt Karls des Großen zwischen Rhein und Donau“ zu sehen.