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Dem Ursprung des Pfahlbau-Booms auf der Spur

Alpenraum

Dem Ursprung des Pfahlbau-Booms auf der Spur
Überreste von Nutzpflanzen aus der Jungsteinzeit deuten auf Verbindungen zwischen geografisch weit entfernten Pfahlbausiedlungen hin. © Raül Soteras

An vielen Seeufern des Alpenraums standen in der Jungsteinzeit die berühmten Siedlungen auf Stelzen. Eine Studie liefert nun Hinweise darauf, von wo aus sich die Bauweise in der Region ausgebreitet hat. Demnach könnte eine uralte Pfahlbausiedlung auf einem Inselchen im Varese-See in Norditalien eine wichtige Keimzelle gebildet haben: 7000 Jahre alte Nutzpflanzen-Überreste deuten auf Verbindungen zu den frühesten Schweizer Pfahlbausiedlungen hin, die sich im nördlichen Bereich der Alpenregion befinden.

Besonders berühmt geworden sind die Pfahlbauten durch die Rekonstruktionen im Freilichtmuseum von Unteruhldingen am Bodensee. Am Anfang standen jedoch Funde am Zürichsee in der Mitte des 19. Jahrhunderts – anschließend wurden dann an vielen Stellen im Alpenraum die Spuren von Siedlungen in der markanten Bauweise entdeckt. Datierungen zufolge lebten Menschen in solchen Siedlungen von der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit. Zwar sind auch aus anderen Bereichen Europas Beispiele bekannt – doch keine Region hat so viele zu bieten wie die Alpenregion: Auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste stehen 111 Pfahlbaufundstellen aus den sechs Alpenanrainer-Ländern Schweiz, Österreich, Deutschland, Frankreich, Slowenien. An einigen Fundorten haben sich Spuren erhalten, die spannende Einblicke in die Lebenswelt der prähistorischen Menschen liefern. Allerdings gibt es auch noch einige offene Fragen – so auch, wie der Pfahlbau-Boom in der Alpenregion seinen Anfang nahm.

Blick auch ein norditalienisches Inselchen

Im Fokus der aktuellen Studie stand nun der Varese-See, der sich in der Nähe des Lago Maggiore in Norditalien befindet. Aus früheren Funden ist bekannt, dass dort auf der nur 9200 Quadratmeter große Insel „Isola Virginia“ in der Neusteinzeit eine Pfahlbausiedlung gestanden hat. Der weiteren Untersuchung dieser archäologischen Stätte haben sich nun die Forscher um Ferran Antolín von der Universität Basel gewidmet. Das Team hat dazu Sedimentbohrkerne im prähistorischen Siedlungsbereich entnommen und die darin enthaltenen Überreste von Kulturpflanzen mittels der Radiokarbonmethode datiert sowie ihre Merkmale analysiert.

Aus ihren Ergebnissen ging hervor: Die Siedlungsgeschichte auf der kleinen Insel umfasste mehrere Phasen und die früheste reichte dabei sogar rund 7000 Jahre zurück. Sie bestand demnach früher als andere alte Zeugnisse der Pfahlbauweise im Alpenraum: Die frühesten bekannten Siedlungen der Schweiz datieren auf etwa 4300 v. Chr. Weitere interessante Hinweise lieferten dann die archäobotanischen Untersuchungen des rund 7000 Jahre alten Pflanzenmaterials aus der frühesten Besiedlungsphase: Die Forscher identifizierten Nacktweizen, Nacktgerste, Schlafmohn und Flachs.

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In Befunden zeichnet sich eine Spur ab

Das Besondere ist dabei: Diese Kulturpflanzen waren damals untypisch für die Region, denn dort wurden normalerweise Spelzweizen wie Emmer angebaut. Die am Varese-See gefundenen Nutzpflanzen wurden hingegen eher im westlichen Mittelmeerraum angebaut. Daraus folgerte das Forschungsteam, dass die Siedlung auf Isolino Virginia von speziellen Gruppen gegründet worden sein könnte, die aus dem westlichen Mittelmeerraum stammten oder mit diesem durch Handel eng verbunden waren.

Der Hinweis auf eine mögliche Bedeutung der Siedler vom Varese-See bei der Ausbreitung des Pfahlbaus im Alpenraum ergibt sich den Forschern zufolge nun aus früheren Befunden, die aus den ältesten Schweizer Pfahlbausiedlungen in Zürich und im luzernischen Egolzwil stammen: Dort bauten die Menschen offenbar ebenfalls die ungewöhnlichen Nutzpflanzen an, wie zuvor die Siedler von jenseits der Alpen. Darin sehen die Forscher einen Hinweis auf eine Verbindung. Konkret könnte es sein, dass etwa um 4700 v. Chr., als die Varese-See-Siedlung den Befunden zufolge verlassen war, die Menschen in den Norden abgewandert waren. Dort könnten sie dann Siedlungen gegründet haben, die wiederum zu einer weiteren Ausbreitung der Bauweise in der Region geführt haben. „Diese Gruppen könnten eine Hauptrolle bei der Ausbreitung des Pfahlbauphänomens nördlich der Alpen gespielt haben“, meint Antolín.

Wie er und seine Kollegen betonen, handelt es sich bisher allerdings um eine Spur, der es nun weiter nachzugehen gilt. „Weitere Untersuchungen der Verbindungen zwischen der Varese-See-Siedlung und anderen Pfahlbaufundstellen können dazu beitragen, unsere Interpretationen zu bestätigen, zu nuancieren oder zu widerlegen“, schreiben die Wissenschaftler abschließend.

Quelle: Universität Basel, Fachartikel: Journal of Archaeological Science: Reports, doi: 10.1016/j.jasrep.2022.103375

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