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Der Bischof und die Gläser

Der Machtanspruch der Päpste

Der Bischof und die Gläser

In gleich zwei neuen Ausstellungen führt das Museum Grand Curtius im belgischen Lüttich vom 18. November an in Kunst und Lebenswelten des 16. bis 18. Jahrhundert ein. Brennpunkt der ersten Ausstellung „Ernst von Bayern, ein Lütticher Fürstbischof im modernen Europa“ wird das Leben und Werken des aufgeklärten, kosmopolitischen Ernst von Bayern (1554 – 1612) sein, der sich, ungeachtet seiner Position als Vertreter der Kirche, leidenschaftlich mit Kunst und Gedankengut der aufkommenden neuen Zeit der Renaissance beschäftigte. Die zweite Ausstellung „Venezianische Leidenschaft, spanisches Glas auf venezianische Art“ würdigt die Fertigkeit europäischer und vor allem spanischer Glasmacher der frühen Neuzeit, in der das Handwerk eine regelrechte Blüte erlebte.

Anlass für die erste der beiden Ausstellungen gab der 400ste Todestag des Lütticher Fürstbischofs. Ernst von Bayern war eine schillernde Persönlichkeit, deren Vita eindrucksvoll von einer bedeutenden Zeit politischen, aber auch gesellschaftlichen Wandels erzählt. Er wird am 17. Dezember 1554 als Sohn Herzog Albrechts V. von Bayern und seiner Frau Anna von Österreich geboren. Als Nachgeborener schlägt er, wie es die Tradition zu dieser Zeit verlangt, eine geistliche Laufbahn ein und wird in Ingolstadt und Rom von Jesuiten ausgebildet. Obwohl er erst 1577 seine Priesterweihe erhält, übernimmt Ernst bereits 1566 den Bischofssitz von Freising. Weitere Titel folgen rasch. So wird er bis 1584 zum Herr der Bistümer Hildesheim, Lüttich und Münster. 1583 gewinnt er außerdem im zweiten Anlauf die Wahl zum Erzbischof von Köln, einer besonders machtvollen Position im Nordwesten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Hier entwickelt sich Ernst vom Bayern zum letzten Bollwerk des Katholizismus, der in der Region immer stärker durch protestantische Landesherren bedrängt wird. Doch obwohl er zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Gegenreformation zählt und in den ihm unterstehenden Ländereien mit schonungsloser Härte die Durchsetzung der katholischen Lehre erwirkt, ist Ernst von Bayern zeit seines Lebens kaum an religiösen Dingen interessiert. Viel lieber beschäftigt er sich mit den neu aufgekommenen Wissenschaften, der Alchemie oder Astronomie, oder gibt sich zeitgenössischer Kunst und Musik hin. Sein emotionales Wesen und seine spontanen, oft unkontrollierbaren Launen tragen zu seinem recht ausschweifenden Lebenswandel bei. Statt Seelsorge, Predigt und Gebet liegen die Vorlieben des Fürstbischofs in Völlerei, Jagd und zahlreichen Liebesaffären. Sogar eine Mätresse leistet sich der Geistliche. Zusammen mit Getrud von Plettenberg verlebt Ernst sogar seinen Lebensabend im heimischen Arnsberg. Unter seinen Untertanen erlebten einzig die Lütticher ihn als milden Landesherren. In allen anderen Gebieten war Ernst vor allem wegen seiner gegenreformatorischen Härte unbeliebt.

Um das Leben des Kunstliebhabers auf dem Bischofsstuhl in seiner ganzen Breite abzudecken, wurden daher über 350 Gemälde, Möbelstücke und Manuskripte aus Lütticher Museumssammlungen sowie bedeutender in- und ausländischer Sammlungen zur Zeit der Renaissance zusammengetragen. Sie lassen den Besucher der Ausstellung nun mittels zeitgenössischer Animation des bildenden Künstlers Ronald Dagonier in die Gedankenwelt Ernst von Bayerns eintauchen. Passend dazu bietet das Fremdenverkehrsamt der Region Lüttich, Spa und Stavelot-Malmedy eine touristische Rundfahrt „Auf den Spuren von Ernst von Bayern“ an, die zu historischen Stätten der Region aus der Zeit des Fürstbischofs führt.

Die zweite Ausstellung zur europäischen Glasmacherkunst schließt thematisch an die dauerhaften Kunstausstellungen des Grand-Curtius Museums in Lüttich an. Sie bietet die Möglichkeit, die hohe Kunst europäischer Glasmacherei aus der Zeit von 1500 bis 1800 zu bestaunen, die in dieser Epoche zu ihrer Blüte gelangte. Ein lokaler Fokus wird dabei auf der Glasproduktion spanischer Manufakturen und Werkstätten aus dieser Zeit liegen. Inspiriert durch Importe aus Venedig und dem Orient beginnen hier Glasmacher bereits im 14. Jahrhundert mit der Produktion kunstvoller Tischgefäße und Prunkstücke. Nachdem sie erfolgreich das technische Wissen ihrer venezianischen und syrischen Vorbilder im Bereich der Dekorierung und des Emaillierens erlernt haben, entwerfen sie neue Glasformen und Ornamente. Ausgehend von Barcelona, dem wichtigsten spanischen Importhafen für venezianisches Glas, wird Katalonien zum Zentrum spanischer Glasmacherei. Hier entstehen kunstvolle, in smaragdgrünem und opalfarbenem Glas gehaltenen Schalen, Platten, Becher in Löwenform, teils mit spiralförmigen Henkeln und später auch kleine Parfümflakons, für den Gebrauch breiterer Bevölkerungsschichten. Andere Zentren der frühneuzeitlichen Glasmacherei liegen in Spanien in Andalusien und im Zentrum Kastiliens, wo in der königlichen Manufaktur La Granja de San Ildefonso auch Zierflachgläser für die königlichen Schlösser und das dortige Mobiliar hergestellt werden. Doch auch hier überwog die Herstellung kunstvoller Tafelgläser.

Die ganze Pracht dieser Glasmacherkunst kann zeigt die Ausstellung des Grand Curtius Museum in über 200 Exponaten. Neben der eigener Sammlung stellt das Museum Tafelgläser und Prunkobjekte aus mehreren europäischen Museum aus, vor allem aus dem katalanischen Raum. Daneben sind auch Teile der Sammlungen des Glasmuseums Düsseldorf und des Keramikmuseums Sèvres zu sehen. Die Ausstellung erfolgt in Kooperation mit dem Knauf-Museum für Kunst und Kultur im bayrischen Ipfhofen. Die kunstvoll verzierten Gläser weisen ein breites Spektrum an von der Welt der Pflanzen motivierten Verzierungen auf.

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Beide Ausstellungen finden ihren Platz in einer wie dafür geschaffenen Umgebung im Lütticher Curtius-Palast, einem architektonischen Meisterwerk der Renaissance in der ganzen Maas-Region. Begleitend zu den beiden Sonderausstellungen sind mehrsprachige Ausstellungskataloge erhältlich. Neben diesen ist auch eine Besichtigung des Dauerprogramms des Museums Grand-Curtius lohnenswert. Das junge Museum, das in seiner heutigen Form erst 2009 seine Pforten öffnete, bietet über 5000 regionale und internationale Artefakte zu Archäologie, Kunst, Religion und Kultur sowie Waffen und Glasmalereien.

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