Die umfassende Renovierung der Evangelischen Stadtkirche in Schwaigern ermöglicht ein außergewöhnliches Gastspiel in der Staatsgalerie Stuttgart: Das erste gesicherte Werk des altdeutschen Malers Jerg Ratgeb (um 1480-1526), der „Barbara-Altar“ von 1510, verlässt für einige Monate seinen angestammten Platz in der Kirche. In zahlreichen Szenen werden auf der Mitteltafel des Altars Ereignisse aus dem Martyrium der heiligen Barbara erzählt, die wegen ihrer Bekehrung zum Christentum vom eigenen Vater enthauptet wird.
In der Staatsgalerie Stuttgart wird der „Barbara-Altar“ bis November 2011 dem letzten und bedeutendsten Altarwerk von Jerg Ratgeb, dem „Herrenberger Altar“ von 1518, gegenübergestellt. „Erstmals lässt sich die künstlerische Entwicklung Ratgebs im direkten Vergleich erleben“, erklärt Elsbeth Wiemann, Oberkonservatorin für Altdeutsche und Niederländische Malerei in der Staatsgalerie. In seinen Anfängen ein volkstümlicher, vom Stil der Donauschule inspirierter Erzähler der Heiligenlegende entwickelt sich Jerg Ratgeb zu einem expressiven und eigenwilligen Interpreten der Heilsgeschichte, wie ihn der „Herrenberger Altar“ zeigt.
Das Altarwerk befindet sich seit 1924 im Besitz der Staatsgalerie Stuttgart und gilt als eines der Hauptwerke in der Sammlung. Jerg Ratgeb fasziniert nicht nur durch sein künstlerisches Werk, sondern auch durch seine Biographie. Die Leibeigenschaft seiner Ehefrau und die folgenreiche Verstrickung des Künstlers in den Bauernkrieg 1525 verweisen auf seine ungewöhnlichen Lebensumstände, während sein Geburtsdatum, seine Herkunft und Ausbildung noch immer im Dunkeln liegen.