„Zeige mir deinen Kot und ich sage dir, wer du bist“: Die Ausscheidungen von Tieren und Menschen enthalten viele wertvolle Informationen – unter anderem Nahrungsreste, Darmkeime und abgestorbene Zellen. Biologen nutzen daher schon länger Kotproben als Hilfsmittel, um beispielsweise die Ernährungsgewohnheiten von Menschenaffen zu erhellen oder um herauszufinden, ob sich Vertreter einer seltenen Tierart in einem Gebiet aufhalten. Auch in der Archäologie haben Kotproben schon dabei geholfen, den Speiseplan vergangener Kulturen zu enträtseln. Das Wühlen in den Ausscheidungen unserer Vorväter ist daher für viele Forscher nichts Neues. „Aber bisher sind fossilisierte Faeces noch nie dazu genutzt worden, um zwischen zwei ausgestorbenen Kulturen zu unterscheiden“, erklären Jessica Rivera-Perez von der Universität von Puerto Rico in Rio Piedras und ihre Kollegen.
Wechselhafte Siedlungsgeschichte
Im konkreten Fall geht es um komplexe Besiedlungsgeschichte der Karibik: Im Laufe der Jahrtausende lebten auf den Großen Antillen ganz unterschiedliche Kulturen, allein auf Hispaniola und Puerto Rico zeugen hunderte Siedungsreste davon. In jüngsten Ausgrabungen stießen Archäologen auf der zu Puerto Rico gehörenden Insel Vieques auf Werkzeuge, Gefäße und andere Objekte aus der Zeit zwischen 200 und 400 nach Christus, die ihnen Rätsel aufgaben. Denn trotz ihrer räumlichen und zeitlichen Nähe waren die Funde sehr verschieden, wie Rivera-Perez und ihre Kollegen auf der Jahrestagung der American Society for Microbiology berichten.
Auf der einen Seite fand sich enorm fortgeschrittene Keramik mit kunstfertigen Verzierungen in rot und weiß. Sie ähnelt der Keramik, die auch von der präkolumbianischen Saladoid-Kultur aus Venzuela bekannt ist, berichten die Forscher. Demgegenüber standen eher gewöhnliche Gefäße, dafür aber exquisite Schmuckstücke mit kunstvoll eingearbeiteten Halbedelsteinen. Einige davon zeigen den Andenkondor, was die Archäologen vermuten ließ, dass die Hersteller dieser Schmuckstücke eher aus der Huecoid-Kultur in den bolivianischen Anden stammen könnten. Das aber würde bedeuten, dass die Nachkommen von zwei ganz verschiedene Kulturen zur gleichen Zeit am gleichen Ort lebten – oder aber dass die damaligen Bewohner Puerto Rico zwar einem Volk angehörten, aber sich Fertigkeiten beider Kulturen abgeschaut hatten.
Schmelztiegel zweier Kulturen
Um herauszufinden, welchen Hypothese stimmte, wandten sich Rivera-Perez und ihre Kollegen bisher eher vernachlässigten Funden zu: dem rund 1.500 Jahre alten Kot der Bewohner von Vieques. Denn neben den Kunstgegenständen waren auch davon Überreste als Fossilien erhalten geblieben. Die Forscher analysierten die in den Kotresten konservierte Bakterien- und Pilz-DNA und verglichen sie mit der von Kotproben aus den beiden möglichen Herkunftskulturen in Venezuela und den bolivianischen Anden. „Indem wir die DNA in den Kotresten beider ausgestorbener Kulturen untersuchten, konnten wir auf ihre Ernährung und Herkunft schließen“, so Rivera-Perez.
Wie sich zeigte, gab es auffallende Übereinstimmungen – und klare Unterschiede: Ein Teil der Kotreste ähnelte eher denen aus den Anden, ein anderer dagegen denen aus Venezuela, wie die Forscher berichten. So enthielt der Kot der Andenbewohner beispielsweise DNA von Mais und Pilzen, die auf den häufigen Genuss eines vergorenen Maisgetränks hindeutete. Dieses Getränk gilt als typisch für die Andenkultur. Nach Angaben der Forscher stützen die Ergebnisse die Hypothese von einem gemischten Ursprung der Vieques-Bewohner. Offenbar kamen ihre Vorfahren sowohl aus Venezuela als auch aus den Anden und begannen sich dann in der Karibik, miteinander zu vermischen.