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Deutsche Filme für Europa

Die Inszenierungsstrategien Queen Victorias und Prinz Alberts

Deutsche Filme für Europa

Die Tonfilm-Operette „Die Drei von der Tankstelle“ mit dem berühmten Schlager „Ein Freund, ein guter Freund“ ist vielen Fernsehzuschauern bis heute ein Begriff. Im Jahr 1930 brach dieses Wirtschaftskrisen-Lustspiel von Wilhelm Thiele alle Kassenrekorde, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch in Frankreich, damals der wichtigste Auslandsmarkt der deutschen Filmindustrie. Allerdings sahen – und hörten – die Zuschauer aus dem Nachbarland nicht Heinz Rühmann und Willy Fritsch auf der Leinwand bzw. aus den Lautsprechern, sondern René Lefèvre und Henry Garat, denn die „Universum Film AG“ (Ufa) hatte von dem Film auch eine französische Sprachversion hergestellt.

Obwohl der bis heute verwendete Lichttonfilm – bei dem der Ton fotografisch neben dem Bild auf dem Filmstreifen festgehalten wird – schon Anfang der 1920er Jahre ebenfalls von einem Trio unter dem Namen „Tri-Ergon“ (also „Das Werk der Drei“) entwickelt worden war, zögerte die hiesige Film- und Elektroindustrie mit der Einführung der neuen Technik. 1927 kam dann in den USA der Nadeltonfilm auf den Markt und sorgte weltweit für Furore. Hierbei wird der Ton separat auf Schallplatten abgespielt.

Als sich die Ufa 1929 nach einer USA-Reise des Vorstands endlich entschied, auf Tonfilm umzustellen, entwickelte dies eine Sogwirkung, die die gesamte Filmproduktion in Deutschland mitriss und dafür sorgte, dass schon 1931 der Stummfilm weitestgehend Geschichte geworden war. Die Frage war nun, wie man die internationale Verbreitung sichern sollte, da die Zuschauer in den Anfängen der Tonfilmzeit weder Untertitelung noch Synchronisation – obwohl technisch durchaus möglich – akzeptieren wollten. Wie bei Medienwechseln durchaus üblich, war man äußerst sensibel gegenüber als Betrug empfundenen Manipulationen wie im Fall der Synchronisation dem Austausch von Stimmen und der damit einhergehenden Veränderung der Dialogtexte.

Die Antwort auf diese Problematik waren Sprachversionen: Ein Film wurde – meistens Szene für Szene – auf demselben Set in mehreren Sprachen gedreht. Entweder man tauschte dafür jeweils alle Schauspieler aus, oder man bediente sich solcher, die meh-rere Sprachen beherrschten. Dies garantierte – im Gegensatz zur Synchronisation – nicht nur die Einheit von Körper und Stimme, sondern erlaubte zudem größere Eingriffsmöglichkeiten bei der Adaptation des Ausgangsstoffes für die jeweiligen Zielländer. Man darf nicht vergessen, dass die Unterschiede in Geschmack und Gewohnheiten damals wesentlich größer waren als heute.

Auf der Ebene der Sprache betrafen solche Änderungen neben den Dialogen und Liedtexten auch die Figurennamen und die Filmtitel. Der Handlungsort blieb im Fall markanter Aufnahmen (internationale Schauplätze) oder historischer Sujets erhalten. Gravierend waren die Unterschiede in der „Stimmung“, die sich vor allem durch die unterschiedliche Rollenbesetzung ergaben. Tatsächlich heben sich die französischen Versionen durch eine größere Leichtigkeit und die englischen durch eine akzentuiertere Komik von den deutschen Filmen ab.

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Es wurde auch an der kulturspezifischen Ausgestaltung der Filme gefeilt, was manchmal zu eher klischeehaften Auswüchsen führte, wenn etwa in den Versionen von „Ich bei Tag und Du bei Nacht“ (1932, Ludwig Berger) die deutsche Figur des Filmvorführers eine Stulle und Tee aus der Thermoskanne zu sich nimmt, die französische dagegen Rotwein trinkt und die englische eine Art Hot Dog verzehrt.

Schon der erste im „Tonkreuz“ in Potsdam-Babelsberg, dem damals größten und wichtigsten Filmstudio Europas, gedrehte Tonfilm wurde in mehreren Versionen herge-stellt: „Melodie des Herzens“ (Hanns Schwarz) kam Ende 1929 auf Deutsch, Englisch, Französisch, Ungarisch und in einer stummen Fassung für die noch nicht auf Tonfilm umgestellten Säle in die Kinos. Allerdings handelte es sich hierbei noch um Hybrid-Versionen, denn der Ufa-Produzent Erich Pommer, Erfinder der Tonfilm-Operette und glühender Verfechter der Sprachversionsfilm-Methode, wandte zunächst eine Technik an, bei der dieselben Schauspieler alle Versionen spielten, indem sie die fremdsprachigen Dialoge phonetisch lernten, und erst im Nachhinein von Muttersprachlern synchronisiert wurden. So erreichte man zwar eine beeindruckende Lippensynchronität, die den Austausch der Stimmen verdeckte, aber hemmte dafür die Darsteller beträchtlich in ihrem Spiel.

Ein anderer Plan, der schnell aufgegeben werden musste, war die Eroberung des ameri‧kanischen Binnenmarktes mit englischsprachigen Versionen. Für den um die Jahreswende 1929/30 entstandenen Film „Der blaue Engel“ hatte man eigens Emil Jannings, der 1928 mit „The Last Command“ als erster Schauspieler einen „Oscar“ gewonnen hatte, aus den USA zurückgeholt und mit ihm seinen Regisseur Josef von Sternberg, einen gebürtigen Wiener. Der Film wurde mit denselben deutschen Schauspielern auch in einer englischsprachigen Version gedreht, bei der sich Marlene Dietrich so gut schlug, dass sie sich umgehend mit von Sternberg in Richtung Hollywood verabschieden konnte.

Doch die Chancen der englischsprachigen Versionen in den USA erschienen auch nachdem man in der Folge dazu überging, Muttersprachler zu verwenden, nicht ausreichend, um den hohen Aufwand zu rechtfertigen, den man für ihre Herstellung betreiben musste. Deshalb verlagerte die Ufa schon Anfang 1930 für ihren siebten Sprachversionsfilm den Fokus auf Frankreich. Der ungeheure Erfolg gleich der ersten lupenreinen französischen Version des Films „Die Drei von der Tankstelle“ hatte zur Folge, dass die Ufa bis ins Jahr 1936 an dieser Methode festhielt.

Nicht nur in Hollywood, sondern vor allem auch in Europa sind zu Beginn der Tonfilmzeit viele solche Sprachversionsfilme entstanden, aber keine einzige Produktions‧firma war so erfolgreich und ausdauernd wie die Ufa. Es sind besonders drei Punkte, die die Studios in Babelsberg diesbezüglich auszeichneten: Zum einen verfügte man über die modernste Technik und eine fast schon militärisch genaue Organisation der Abläufe, was beides notwendig war, um ein so aufwendiges Projekt wie das mehrmalige Drehen desselben Films präzise und gleichzeitig ökonomisch durchzuführen. Zum anderen nahm man den zu leistenden Sprach- und Kulturtransfer ernst und engagierte Koautoren und Koregisseure sowie Supervisoren aus den entsprechenden Ländern, die einen gewissen Qualitätsstandard garantieren sollten.

Drittens war es ganz elementar, mehrsprachige Stars mit internationalem Potential aufzubauen: Lilian Harvey, Käthe von Nagy, aber auch Brigitte Helm – deren Karriere als Maria in „Metropolis“ (1926, Fritz Lang) begonnen hatte – wurden durch die Sprachversionsfilme europaweit, besonders aber in Frankreich, genauso berühmt und beliebt wie in Deutschland.

Der 30. Januar 1933 stellte auch für die Produktion der Ufa-Sprachversionsfilme einen entscheidenden Wendepunkt dar. Viele wichtige Schauspieler, Autoren, Regisseure und Produzenten, darunter auch Erich Pommer, wurden entlassen und verließen das Land. Von Monat zu Monat geriet die Ufa, bei der bis dahin streng nach geschäftlichen Gesichtspunkten entschieden worden war, immer stärker unter den Einfluss des Propa‧gandaministeriums und damit ideologischer Maßgaben.

Die Qualität der deutschen Produktionen sank, vor allem aber büßten gerade die Unterhaltungsfilme ihren zuvor so gerühmten Esprit ein, weshalb man bei der Ufa den französischen Teams immer mehr Freiheiten bei der Bearbeitung einräumte, um auf dem französischen Markt nicht völlig chancenlos zu werden. Doch im Lauf des Jahres 1936 musste man das Experiment mit den Sprachversionsfilmen schließlich beenden, unter anderem auch, weil die Synchronisation inzwischen grundsätzlich akzeptiert wurde und Hollywood mit billigeren Bearbeitungen wieder Fuß auf dem europäischen Markt gefasst hatte.

Literatur: Chris Wahl, Sprachversionsfilme aus Babelsberg. Die internationale Strategie der Ufa 1929 –1939. München 2009.

Quelle: Dr. Chris Wahl
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