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Die ältesten Steinwerkzeuge des Menschen

Geschichte|Archäologie

Die ältesten Steinwerkzeuge des Menschen
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Eines der am Turkanasee entdeckten Steinwerkzeuge (MPK-WTAP)
Bisher galt der Homo habilis, der “geschickte Mensch”, als der erste Werkzeugmacher unter unseren Vorfahren. Doch jetzt haben Forscher am Turkanasee in Kenia primitive Steinwerkzeuge entdeckt, die älter sind als alle bisher bekannten: Sie wurden bereits vor rund 3,3 Millionen Jahren hergestellt – und damit wahrscheinlich lange bevor sich der erste Vertreter der Gattung Homo entwickelte. Das aber bedeutet, dass auch schon frühere Vorfahren des Menschen die Fähigkeit besessen haben könnten, Werkzeuge herzustellen.

Die bisher ältesten Steinwerkzeuge stammen aus der Zeit vor rund 2,3 bis 2,6 Millionen Jahren und gelten als Werk des Homo habilis, des wahrscheinlich ersten Vertreters der Gattung Homo. Nach dem Fundort der ersten Fossilien und Werkzeuge dieser Spezies in der Olduvai Schlucht in Tansania werden diese frühen Steinwerkzeuge der Olduwan-Kultur zugeordnet. “Man ging davon aus, dass nur unsere direkten Vorfahren den kognitiven Sprung machten und lernten, Steine so gegeneinander zu schlagen, dass scharfe Klingen entstanden”, erklären Sonia Harmand von der Stony Brook University in New York und ihre Kollegen. “Dies galt als das Fundament für unseren evolutionären Erfolg.” Um diese Steinklingen und Faustkeile herzustellen, musste der Homo habilis allerdings bereits einiges Geschick und Erfahrung besitzen. Unter anderem deshalb gehen Anthropologen schon länger davon aus, dass die Olduwan-Werkzeuge wahrscheinlich nicht die allerersten Versuche unserer Vorfahren mit dieser neuen Technologie darstellten.

Die neuen Funde untermauern diese Vermutung nun erstmals mit Belegen. Entdeckt haben Harmand und ihre Kollegen die urzeitlichen Steinwerkzeuge durch Zufall: Auf dem Rückweg zum Camp am kenianischen Turkanasee folgten sie dem falschen Pfad und erkletterten einen Hügel, um nach dem richtigen Rückweg zu suchen. Dort stießen sie auf Gesteinsaufschluss in den mehrere verdächtig bearbeitet aussehende Steine eingebettet waren. In anschließenden systematischen Ausgrabungen fanden die Forscher insgesamt 149 Steinartefakte, deren Form auf eine gezielte Bearbeitung hindeutete. Darunter waren neben Abschlagsspuren an Felsbrocken auch Klingen und ambossähnliche größere Steine, wie sie berichten. Einige Steinwerkzeuge wurden offenbar mehrfach und auf verschiedene Art genutzt.  “Die Nutzung einzelner Objekte für verschiedenen Aufgaben reflektiert einen Grad der technologischen Vielfalt, der sich von den meist nur für einen Zweck hergestellten Werkzeugen der nichtmenschlichen Primaten unterscheidet”, betonen die Wissenschaftler.

Zu alt für den Homo habilis

Die Datierung ergab, dass diese primitiven Steinwerkzeuge bereits 3,3 Millionen Jahre alt sind – und damit rund 700.000 Jahre älter als alle bekannten Werkzeuge von Vor- oder Frühmenschen. Das aber bedeutet, dass diese Werkzeuge wahrscheinlich nicht vom Homo habilis oder einem anderen Vertreter der Gattung Homo hergestellt worden sein können. “Die Homininen-Spezies, die zu dieser Zeit in der Gegend von West Turkana lebte, war der Kenyanthropus platytops”, berichten Harmand und ihre Kollegen. Die 3,3 Millionen Jahre alten Fossilien dieses Vormenschen wurden 199 weniger als einen Kilometer vom Fundort der Werkzeuge entfernt gefunden. An welcher Stelle er im Stammbaum des Menschen steht, ist bisher unklar, er war aber wahrscheinlich eher ein Nebenzweig als einer unserer direkten Vorfahren. Theoretisch käme aber auch ein bisher unbekannter Vertreter der Gattung Homo als Werkzeugmacher in Frage oder aber der Australopithecus afarensis, der damals ebenfalls in der Nähe des Turkanasees lebte.

Nach Ansicht der Forscher ist es damit wahrscheinlich, dass die Fähigkeit zur Werkzeugherstellung bereits vor den ersten Vertretern der Gattung Homo begann. “Diese Steinwerkzeuge markieren einen neuen Anfang der bisher bekannten archäologischen Funde”, konstatieren die Wissenschaftler. Sie schlagen vor, diesen Typ der vormenschlichen Steinwerkzeuge nach ihrer Fundschicht “Lomekwian” zu taufen. Die Fertigkeiten der Werkzeugmacher vom Turkanasee seien zwar deutlich weniger weit entwickelt als die an den Olduwan-Werkzeugen sichtbaren. “Die Funde deuten aber darauf hin, dass ihre Schöpfer bereits über eine  sehr gute Auge-Hand-Koordination verfügten und daher die entsprechenden Gehirnregionen bereits vor mehr als 3,3 Millionen Jahren reorganisiert und erweitert waren.” Wer diese Schöpfer waren, müssen nun weitere Forschungen klären.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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