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Die verzauberte Landschaft

Geschichte|Archäologie

Die verzauberte Landschaft
Claude Lorrain (um 1600–1682), Landschaft mit Ascanius, der den Hirsch der Silvia erlegt, 1682, Öl auf Leinwand, 120 x 150 cm, Ashmolean Museum, University of Oxford

Das Frankfurter Städel Museum widmet Claude Lorrain (um 1600–1682), einem der wichtigsten Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts, die erste monografische Ausstellung in Deutschland seit 1983. 3. Februar bis zum 6. Mai 2012 präsentiert die Ausstellung „Claude Lorrain. Die verzauberte Landschaft“ rund 130 Werke aus allen Schaffensphasen des bedeutenden französischen Barockkünstlers. Auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse stellt sie neben einer hochkarätigen Auswahl von Gemälden auch die einzigartigen Zeichnungen und Druckgrafiken Claude Lorrains umfassend vor. Leihgaben kommen unter anderem aus dem British Museum und der National Gallery in London, dem Petit Palais in Paris und dem Kupferstichkabinett in Berlin. Die in Kooperation mit dem Ashmolean Museum in Oxford entstandene Ausstellung zeigt Lorrain als hoch reflektierten Künstler, der in allen drei Medien außergewöhnliche und eigenständige Kunstwerke geschaffen hat.

Claude Gellée, genannt Le Lorrain („der Lothringer“) oder einfach Claude Lorrain, wurde um 1600 in Chamagne, einem Dorf bei Nancy, in Lothringen geboren. Als Heranwachsender gelangte er nach Rom, wo er, bis auf eine kurzzeitige Rückkehr in seine Heimat 1625, bis an sein Lebensende blieb. Von Beginn an konzentrierte sich der Künstler auf die Landschaftsmalerei und war mit seinen Gemälden bald so erfolgreich, dass er den Papst, mächtige Kardinäle und europäische Fürsten zu seinen Auftraggebern zählen konnte. Ab Mitte der 1630er-Jahre bis an sein Lebensende konnte Lorrain, der keine große Werkstatt unterhielt und so gut wie keine Schüler hatte, der Nachfrage nach seinen Gemälden kaum nachkommen. Sein Œuvre umfasst rund 250 Gemälde, 1.200 Zeichnungen und 44 Druckgrafiken.

In seiner Malerei verarbeitete Claude Lorrain Zeichenstudien, die auf zahlreichen Wanderungen durch die ländliche Umgebung Roms entstanden, in präzise entwickelten Kompositionen zu zeitlos klassischen Landschaften. Bereits zu Lebzeiten wurde Claude Lorrain besonders in Italien und Frankreich geschätzt. Im 18. Jahrhundert fand seine Kunst dann vor allem in England größte Bewunderung. Englische Reisende, die auf ihrer standesgemäßen „Grand Tour“ nach Italien kamen, erwarben viele seiner Gemälde. Auch der Hauptteil seiner Zeichnungen und etliche Radierungen befinden sich heute in englischen Sammlungen.

Die Werke Claude Lorrains übten nicht nur einen prägenden Einfluss auf die englische bildende Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts aus, wie zum Beispiel auf den britischen Maler William Turner, sondern vor allem auf die englische Gartenkunst. Die für Lorrain typische idealisierte Landschaft, die durch genaueste Planung scheinbar natürlich erscheint, spiegelt sich darin wider. Diese Besonderheit beschrieb Deutschlands berühmtester „Grand Tourist“, Johann Wolfgang von Goethe, als er über Claude Lorrain sagte, seine Bilder hätten „die höchste Wahrheit, aber keine Spur von Wirklichkeit“ und „im Claude Lorrain erklärt sich die Natur für ewig“. Goethes Wertschätzung des Künstlers reflektiert, dass dieser nicht nur auf englische, sondern auch auf deutsche Künstler des 18. Jahrhunderts, besonders auf die in Rom tätigen Landschaftsmaler, wie beispielsweise Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, einen starken Einfluss ausübte. Da Lorrains Werke jedoch hauptsächlich von wohlhabenden englischen Reisenden erworben wurden, sind sie heute in deutschen Sammlungen nur punktuell vertreten.

Das Städel besitzt neben fünf Zeichnungen und etwa 40 Radierungen ein bedeutendes spätes Gemälde des Meisters, die „Landschaft mit Christus, der Maria Magdalena erscheint (Noli me tangere)“ (1681). Zusätzlich konnte das Haus in den letzten Jahren eine seltene Radierung aus der spektakulären Folge des „Feuerwerks“ (1637) und eine bedeutende Zeichnung aus dem sogenannten Wildenstein-Album, die „Tänzerin mit Tamburin und Dudelsackspieler“ (1648), erwerben, die als eine der schönsten Figurenstudien Claude Lorrains gilt. Dieser Ankauf wurde 2008 durch die Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Hessischen Kulturstiftung ermöglicht. Das Wildenstein-Album bestand aus einer Auswahl von Zeichnungen Claude Lorrains, die schon wenige Jahre nach dem Tod des Künstlers zusammengestellt und erst nach 1960 aufgelöst und verkauft wurde. Für das Städel Museum boten diese Ankäufe einen wunderbaren Anlass, sich gemeinsam mit dem Ashmolean Museum in Oxford Claude Lorrain in einem umfangreichen Forschungs- und Ausstellungsprojekt zu widmen.

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Die Ausstellung, die im Obergeschoss des Ausstellungshauses zu sehen ist, folgt einer chronologischen Sicht auf das Werk Claude Lorrains. Im ersten Saal wird das Frühwerk des Künstlers präsentiert. In seinen frühen Gemälden finden sich hauptsächlich arkadische Hirtenszenen und Hafenansichten dargestellt. Das großformatige frühe Gemäldepaar „Küstenansicht“ und „Urteil des Paris“ von 1633 wird um Naturstudien aus frühen Skizzenbüchern sowie Radierungen der 1630er-Jahre ergänzt. Ein weiteres frühes Gemälde ist die 1636 für Papst Urban VIII. gemalte „Landschaft mit ländlichem Tanz“. Dieses Werk wird von zugehörigen Zeichnungen begleitet, die einen ersten Eindruck vom Verhältnis zwischen Malerei, Zeichnung und Druckgrafik Lorrains vermitteln.

Im Folgenden bilden die Zeichnungen und Druckgrafiken, die ebenso wie die Gemälde „Ein Seehafen“ von 1644 und die große „Landschaft mit der Anbetung des Goldenen Kalbes“ von 1653 aus der mittleren Schaffensphase Lorrains stammen, einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung. Die herausragenden Arbeiten auf Papier zeigen eine weitgehend unbekannte Seite des Künstlers. Claude Lorrain zeichnete nicht nur, um seine Gemälde vorzubereiten, sondern auch um des Zeichnens selbst willen und offenbarte dabei eine Vielseitigkeit, die für das 17. Jahrhundert ganz ungewöhnlich ist. Natur- und Kompositionsstudien stehen neben Zeichnungen, die vollendete Gemälde dokumentieren; Studienblätter, die eigentlich ihre Funktion erfüllt haben, werden im Nachhinein, ausschließlich zum Vergnügen des Künstlers, nach- und umgearbeitet. Ab Mitte der 1630er-Jahre fertigte Lorrain in einem speziellen Album, seinem „Liber Veritatis“, Zeichnungen nach seinen eigenen Gemälden an; anfangs, um zu verhindern, dass Werke anderer Künstler als die seinen verkauft wurden, dann mehr und mehr als zeichnerische Reflexionen.

Die Technik der Radierung interessierte Claude Lorrain zwar vor allem in der Frühzeit; mit diesem druckgrafischen Medium experimentierte er ähnlich wie mit der Zeichnung und schuf während seiner gesamten künstlerischen Laufbahn Werke, die zu den bedeutendsten ihrer Art im 17. Jahrhundert zählen. Lorrains Radierungen, weit weniger zahlreich als seine Zeichnungen, sind in der Ausstellung annähernd vollständig repräsentiert. Die spektakuläre Folge des „Feuerwerks“ (1637), die ein mehrtägiges Fest auf der Piazza di Spagna in Rom festhält, wird überhaupt erstmals komplett ausgestellt.

In Claude Lorrains späterem Werk dominieren biblische und mythologische Motive, deren Themen in den Landschaften, in die sie eingebettet sind, widerklingen. Lorrain war ein unerreichter Meister in der Wiedergabe von Licht und feinsten atmosphärischen Nuancen; die harmonische Ausgewogenheit seiner Kompositionen, das ruhige, gelassene Miteinander von Mensch und Natur, ist bei ihm gleichwohl immer mit einer spannungsvollen inneren Dynamik versehen, die sich beim intensiven Betrachten der Werke mehr und mehr erschließt. Dies verdeutlichen besonders das Frankfurter Gemälde „Landschaft mit Christus, der Maria Magdalena erscheint (Noli me tangere)“ (1681) und das Oxforder Werk „Landschaft mit Ascanius, den Hirsch der Silvia erlegend“ (1682). Claude Lorrains Arbeitsweise entsprach nicht dem, was die Akademien seiner Zeit lehrten. Auf der Basis einer gründlichen Kenntnis der Natur setzte er seine Kompositionen aus „Bausteinen“ zusammen, die sich in immer neuen Varianten wiederholen und die er vielfach seinem Zeichnungsvorrat, den er sorgsam hütete, entnahm. Lorrain verfolgte eine fast abstrakte Kompositionsweise von „Thema und Variation“, die zu einer immer stärkeren Intensivierung führte.

Eine Besonderheit seines Schaffens ist das Komponieren mit Pendants: In den 1630er-Jahren entwickelte Lorrain ein eigenes künstlerisches Gestaltungsmittel von – sowohl gemalten als auch radierten – Bildpaaren, die gewisse kompositorische Entsprechungen oder Gegensätze aufweisen. Oft werden eine arkadische Landschaft und eine Meeresansicht, eine morgendliche und eine abendliche Szene miteinander kombiniert. Dieses Konzept von Pendants, das Lorrain zeit seines Lebens vertiefte, verstärkt die außerordentlich qualitätvolle Kompositionsweise durch eine poetisch-vielschichtige wechselseitige Reflexion und wird in der Ausstellung im Städel anhand von zahlreichen Beispielen – „Küstenansicht“ (1633) und „Urteil des Paris“ (1633), „Landschaft mit Christus, der Maria Magdalena erscheint“ (1681) und „Landschaft mit der Taufe des Kämmerers“ (1678) sowie „Landschaft mit Ascanius“ (1682) und „Ansicht von Karthago mit Dido und Aeneas“ (1675/76) – eindrucksvoll verdeutlicht.

Quelle: Städel Museum
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