Marin Trenk hat in Kanada und den USA eine Spurensuche durch Kleinstadtarchive und Bibliotheken unternommen, hat sich bei heimatgeschichtlichen Vereinen in der Provinz umgehört und autobiografische Aufzeichnungen, Chroniken und Berichte von Missionaren, Reisenden, Siedlern und Pelzhändlern ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass es durchaus Unterschiede zwischen einzelnen europäischen Gesellschaften beim Umgang mit den kulturellen Grenzgängern gab. „Die Franzosen hatten ein wesentliches offeneres Verhältnis zu den Indianern als die Engländer“, meint Trenk. Da die Franzosen mehr am Handel als Landbesitz interessiert gewesen seien, schickten sie junge Männer absichtlich in die indianischen Stämme, damit sie dort Sprache, Sitten und Gebräuche erlernen sollten, um später etwa als Dolmetscher bei den Handlungsbeziehungen von Nutzen zu sein.
Bei den Engländern ist es nach Trenks Erkenntnissen meist zu einem abrupten Wechsel gekommen. Englische Kulturgrenzgänger sind meist zu einem bestimmten Zeitpunkt endgültig aus ihren bisherigen Lebenszusammenhängen ausgeschieden. Manche taten es freiwillig, andere fielen in die Hände von Indianern und wurden – durch irgendeine Fügung – nicht an den Marterpfahl gebunden, sondern von einem Stamm adoptiert oder verheiratet. Diese Menschen wechselten dann ihre Identität und wurden „white Indians“.
Ihren europäischen Zeitgenossen erschienen sie als Abtrünnige und Verräter. „Die Ablehnung der kulturellen Grenzüberschreitung war in Neuengland tief verwurzelt“, meint Trenk. Die puritanischen Siedler hätten den Kontakt mit der Kultur der Indianer als eine Bedrohung der eigenen Identität gesehen. Dadurch, dass die Engländer aber auch an Land interessiert waren, stellten sie für die Ureinwohner auch die unmittelbaren Feinde dar.
Interessanterweise sind unter den Kulturwechslern nicht wenige Frauen. So lebte etwa Mary Jemison, Tochter eines Geistlichen, 75 Jahre bei den Irokesen. Das Leben dort gefiel ihr besser, weil Frauen mehr Rechte und Freiheiten gehabt hätten als bei den Weißen.
Indianische Überläufer habe es weniger gegeben als europäische, vermutet Trenk. Doch deren Geschichten sind – sieht man von Pocahontas ab, die von einem Engländer geheiratet und mit nach Europa genommen wurde – kaum mit Namen überliefert. Sie dürften in der Gesellschaft der Weißen vermutlich auch nur als Randfiguren vorgekommen sein. Denn die Europäer hätten nicht im Entferntesten daran gedacht, dass sie von den Indianern etwas lernen könnten. Man brauchte sie allenfalls, um irgendwelche kolonialistischen Interessen besser durchsetzen zu können.