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Druckgraphik von Edvard Munch

Antike Helden

Druckgraphik von Edvard Munch
Edvard Munch (1863-1944) Die Gasse, 1895 Lithographie mit Kreide und Tusche, Schabeisen, auf kalandriertem Velin Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Peter McClennan © The Munch Museum / The Munch Ellingsen Group / VG Bild-Kunst, Bonn 2009

Die Graphische Sammlung im Städel Museum verwahrt über 80 Druckgraphiken des Norwegers Edvard Munch (1863–1944), darunter Geschenke des Künstlers und viele Erwerbungen, die bereits zu dessen Lebzeiten erfolgten. Die Ausstellung „Edvard Munch. Druckgraphik im Städel Museum“ präsentiert diesen stattlichen Bestand. Sie würdigt die herausragende Aussagekraft der Druckgraphik Edvard Munchs und veranschaulicht deren wegweisende Bedeutung für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Wie in seiner Malerei brachte Munch ab 1894 auch in der Druckgraphik vor allem psychische Zustände und innere Vorgänge zum Ausdruck. Mit szenischen Schilderungen ebenso wie mit symbolischen Seelenlandschaften schuf er Blätter, die Stimmungen und Lebenserfahrungen wie Liebe, Eifersucht, Angst, Krankheit, Einsamkeit oder Trauer thematisieren. Aber auch das Bildnis nimmt in der Druckgraphik Munchs einen hohen Stellenwert ein. So hielt Munch Freunde aus der Boheme wie Henrik Ibsen, Stéphane Mallarmé oder August Strindberg in psychologisch tiefgründigen Porträts fest. Kontextualisiert wird Munchs Werk in der Ausstellung am Beispiel ausgewählter Positionen von Künstlern wie Beckmann, Gauguin, Heckel, Klinger, Redon oder Toulouse-Lautrec aus der Sammlung des Städel. Die Ausstellung ist vom 3. Juli bis 18. Oktober 2009 in der Graphischen Sammlung zu sehen. Eigens hierfür wird unter http://munch.staedelmuseum.de ab dem 3. Juli eine Microsite zur Verfügung stehen, die ausführliche Informationen zu den verschiedenen Drucktechniken, zum Leben und Werk des norwegischen Künstlers und zum Sammlungsbestand von Edvard Munch im Städel Museum bietet.

Edvard Munch beginnt 1894, als er in Berlin lebt, im Alter von 31 Jahren druckgraphisch zu arbeiten. Das in den folgenden Jahrzehnten bis ins hohe Alter in Deutschland, Paris und Norwegen geschaffene umfangreiche druckgraphische Werk spiegelt sowohl sein Leben als auch seine Faszination für die besonderen Qualitäten der gewählten Ausdrucksmittel wider. Experimentierfreudig versteht er es, die spezifischen Eigenschaften der druckgraphischen Techniken, der Radierung, der Lithographie und des Holzschnitts, meisterhaft und innovativ mit komplexen Inhalten zu verbinden.

Die gewählten Motive gleichen weitgehend jenen seiner zuvor entstandenen Gemälde. Als Maler ist Munch 1894 bereits ebenso bekannt wie umstritten. Vor allem der Skandal um die 1892 aufgrund der Empörung von Publikum und Kritikern geschlossene Ausstellung seiner Gemälde im Verein Berliner Künstler entfachte die Diskussion um seinen freien Umgang mit Farben und Formen seiner Bildgegen­stände. Die heftige Ablehnung durch die konservativen Stimmen im Berlin jener Jahre schlägt dem Skandinavier ebenso entgegen wie dem französischen Impressionismus.

Jenseits der Farbe beginnt Munch in Berlin prägende Motive seiner Gemälde wie „Das Mädchen am Fenster“, „Der Tag danach“ oder „Das kranke Kind“ zunächst in Radierungen zu übertragen. Diese in Kenntnis zeitgenössischer Meisterwerke wie der Radierungen Max Klingers (1857–1920), aber offen­bar ohne langwierige Anleitung geschaffenen frühen Kaltnadelarbeiten sind von erstaunlicher Qualität und zeugen von einer vielversprechenden Begabung. Gemeinsam mit fünf weiteren Tiefdrucken sind sie in einer 1895 von Julius Meier-Graefe in Berlin verlegten Mappe mit Radierungen Edvard Munchs enthalten. Von dieser seinerzeit erfolglos angebotenen Edition besitzt das Städel seit 1912 eine vollständige Mappe der in nur zehn Exemplaren auf Japanpapier gedruckten Vorzugsausgabe.

Bereits 1894, als Munch zu radieren beginnt, entstehen auch seine ersten Lithographien. Unter den über 30 ausgestellten Beispielen in dieser Technik finden sich eindrückliche Bilder, die differierende Stimmungen der Liebe thematisieren („Meer der Liebe“, „Loslösung II“, „Vampyr II“). Zwei lithographierte Fassungen zur „Eifersucht“ (1896) legen einen Vergleich mit dem späteren Gemälde gleichen Titels in der Galerie des Städel nahe. Munchs „Gasse“ bietet einen visionären Kommentar zur „Frau als Objekt der Begierde“, der im lithographischen Werk von Henri Toulouse-Lautrec einen Ahnen hat.

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Einzigartig gelingt es Munch, schwer fassbare psychische Zustände und Empfindungen zwischen den Geschlechtern ins Bild zu setzen. Kaum spürbar verlassen seine Motive die alltägliche Welt und finden ihre Entsprechung zum modernen Seelenleben. Seine symbolisch verdichteten Gefühle muten einfach an und sind von tiefem Sinn erfüllt.

Zu den grundlegenden Lebenserfahrungen, die den Künstler Munch sein Leben lang beschäftigen, zählt Eros ebenso wie Thanatos. Die eindringlichsten Zeugnisse zum Thema Tod sind seine in Malerei wie Druckgraphik stets aufs Neue variierten Bilder zum miterlebten Sterben seiner 15-jährigen Schwester Sophie im Jahre 1877. In Paris, wo Munch 1896/97 lebt, lässt er das „Sterbezimmer“ in Schwarz auf blaugrauem Bütten und „Das kranke Kind“, eine Inkunabel der Farblithographie, aus­führen. Unter der Hand des Druckers Auguste Clot, der zur gleichen Zeit im Auftrag von Ambroise Vollard mit der Arbeit an den druckgraphischen Folgen der Nabis – Pierre Bonnard, Édouard Vuillard und Maurice Denis – beginnt, kommt die Farblithographie als neue drucktechnische Errungenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts zur Entfaltung.

Zahlreich unter den Lithographien Munchs sind einfühlsame Bildnisse seiner Zeitgenossen. Als feinsinnigen Ästheten schildert Munch 1895 seinen Förderer und Freund „Harry Graf Kessler“. Er zeichnete ihn nach dem Leben, unmittelbar vor dem Modell auf den Stein. Das Mappenwerk „Aus dem Hause Linde“, eine besondere Art von Familienbildnis, führte Edvard Munch 1902 im Auftrag des Lübecker Augenarztes und wichtigen Förderers seiner Kunst Max Linde aus. Ausschließlich für den privaten Gebrauch der Familie bestimmt, wurden nur wenige Exemplare gedruckt, die entsprechend in öffentlichen Sammlungen selten zu finden sind. Unter den porträtierten Gefährten aus Bohemekreisen sind in der Ausstellung unter anderen der polnische Dichter Stanis³aw Przybyszewski, aber auch der Schriftsteller Henrik Ibsen oder der schwedische Dramatiker August Strindberg vertreten – Letzterer ein, so Meier-Graefe 1915, Partner Munchs „im Verhältnis zum Femininum, beim Glase und in der Neuros“.

Nach Radierung und Lithographie beginnt Munch Ende 1896 auch im Holzschnitt zu arbeiten. Nachbarschaften wie jene der 1894 in Kaltnadel ausgeführten „Zwei Menschen“ und einem Farbholzschnitt gleichen Themas aus dem Jahr 1899 machen die technisch bedingten Unterschiede anschaulich. Sie zeigen aber auch, wie die von Stille und Einsamkeit getragene Stimmung jeweils in die charakteristische Sprache des druckgraphischen Mediums übersetzt wird – ein gestalterischer Prozess, mit dem stets eine Verdichtung und Konkretisierung des Bildgedankens einhergehen.

Zu den wenigen Künstlern, die vor dem Hintergrund des in Paris entwickelten Interesses für den japanischen Holzschnitt in dieser Zeit ebenso wie Munch von der ältesten bekannten Drucktechnik Gebrauch machen, zählen Paul Gauguin und Félix Vallotton. Und so wie Gauguin um die Mitte der 1890er-Jahre beginnt, dem Holzschnitt durch seine experimentelle Auffassung neue Möglichkeiten zu eröffnen, so entwickelt auch Munch innovative Gestaltungsmethoden. Während er seinen Farbholzschnitt „Meereslandschaft“ (1897) in herkömmlicher Weise mit zwei Stöcken druckte, sind „Zwei Menschen (Die Einsamen)“ (1899) und „Zum Walde II“ (1915) das Ergebnis einer in dieser Technik bisher unbekannten Vorgehensweise. Mittels einer Laubsäge zerlegt er den Druckstock in Teile, um diese unterschiedlich einfärben, und, einem Puzzle gleich zusammengefügt, variantenreich drucken zu können. Zum Einfluss, den Munch auf nachfolgende Künstler ausüben sollte, ist auch dieses Verfahren zu rechnen, das später Ernst Ludwig Kirchner aufgreifen sollte.

Der Bestand der Graphische Sammlung des Städel Museums verzeichnet heute einundachtzig druck­graphische Werke von Edvard Munch. Bereits 1911, zu Lebzeiten des Künstlers, wurden unter der Direktion von Georg Swarzenski die herausragende Farblithographie „Das kranke Mädchen“ und zwei Radierungen für die Städtische Galerie erworben. Weitere Ankäufe erfolgten in den Jahren 1912, 1914, 1916 und 1918. Nachdem der Künstler selbst Anfang der Dreißigerjahre der Sammlung 11 Lithographien und Holzschnitte zum Geschenk machte, war der Bestand auf 40 Werke ange­wachsen. Während 1937 von drei in den Zwanzigerjahren erworbenen Gemälden Munchs zwei als „entartet“ beschlagnahmt wurden, blieben die druckgraphischen Werke Munchs verschont. Die im Städel zu beklagenden Verluste im Bereich der expressionistischen Graphik wurden nach dem Zweiten Weltkrieg 1948 durch das „Vermächtnis Dr. Carl Hagemann“ großzügig ausgeglichen. Zu den überlassenen Druckgraphiken seiner Sammlung zählten auch Werke von Edvard Munch. Seither wurden auf Auktionen gezielte Erwerbungen getätigt, die den vorhandenen Bestand sinnfällig ergänzen und erweitern.

Als das Städelsche Kunstinstitut vom 12. Oktober bis zum 23. November 1952 „Edvard Munch. Graphik“ mit weit über 100 Exponaten vorstellte, waren dies zu größten Teilen Leihgaben aus einer deutschen Privatsammlung. Heute, nach über 50 Jahren, greift das Städel auf den eigenen Bestand zurück, um die herausragende Aussagekraft des Druckgraphikers Edvard Munchs zu würdigen.

Quelle: Städel Museum
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