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Ein Walfänger am Ende der Welt

Schiffswrack

Ein Walfänger am Ende der Welt
Wrack
Von dem Schiffswrack aus dem 19. Jahrhundert sind nur noch einige Balken und Planken erhalten. © U. Sokolowicz

In Patagonien haben Archäologen ein Schiffswrack entdeckt, das sich nun als ein lange gesuchter Walfänger aus dem 19. Jahrhundert entpuppt. Baumringe aus den Balken und Planken des Wracks verraten, dass das Schiff aus der Zeit um 1850 stammt und in Neuengland gebaut wurde. Den Forschern zufolge handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um die Überreste des 1859 gesunkenen Walfangschiffs „Dolphin“, von dessen Ende in historischen Aufzeichnungen berichtet wird.

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Blütezeit des Walfangs. Vor allem in Neuengland wurden damals viele robuste Schiffe gebaut, die auf allen Weltmeeren nach den begehrten Meeressäugern suchten. Das aus dem Walfett gewonnene Öl wurde unter anderem für Öllampen und als Schmiermittel eingesetzt, die Knochen dienten als Allzweckmaterial für viele Alltagsgegenstände. Erst in den 1860er Jahren brach die frühe Walfangindustrie ein, weil die Wale selten wurden und Erdöl das Walfett als Rohstoff ablöste.

Walfang auf allen Weltmeeren

Eines der noch in der Spätzeit der Walfang-Ära gebauten Schiffe war die „Dolphin“, ein im Sommer 1850 auf Rhode Island fertiggestellter Rahsegler von rund 33 Meter Länge und einer Verdrängung von rund 300 Tonnen. Dieser Walfänger kreuzte nach seinem Stapellauf zweieinhalb Jahre über den Atlantik und Indischen Ozean, bevor er 1853 mit reichlich Waltran beladen in seinen Heimathafen zurückkehrte. In den folgenden Jahren führten Waldfang-Fahrten die „Dolphin“ bis zum Horn von Afrika, zu den Seychellen und nach Australien. Doch auf ihrer letzten, 1858 begonnenen Reise verließ das Glück das Schiff und seine Besatzung: An der Südspitze Südamerikas lief sie auf Felsen auf und sank.

Das Schicksal des Walfangschiffs ist schon lange bekannt, denn ihr Kapitän berichtete vom Verlust seines Schiffs in einem Brief an die Eigner. Er schrieb: „Sie liegt auf den Felsen im südwestlichen Teil der Neuen Bucht.“ Mit der „Neuen Bucht“ war höchstwahrscheinlich der Golfo Nuevo gemeint, eine Art natürlicher Hafen in Patagonien, in dem früher viele Walfänger Zuflucht suchten. Heute liegt die argentinische Kleinstadt Puerto Madryn an dieser Bucht. Lokaler Tradition nach haben die Bewohner dieser Siedlung schon früher immer wieder Überreste von Schiffen gefunden, doch um welche Schiffe es sich bei diesen Wracks handelte, blieb unklar.

Schiffswrack unbekannter Herkunft

So war es auch bei einem im Jahr 2004 von den sich verlagernden Sanden der Bucht freigegebenen Schiffswrack. In der flachen, bei Ebbe trockenliegenden Gezeitenzone waren nur noch einige Balken und Planken des Schiffsrumpfs und des Decks zu erkennen. Archäologen um Cristian Murray vom argentinischen Nationalinstitut für Anthropologie ermittelten im Jahr 2009 anhand erster Analysen, dass es sich um ein Wrack aus dem 19. Jahrhundert handeln musste. Doch woher das Schiff ursprünglich stammte, ließ sich angesichts nur weniger weiterer Funde nicht ermitteln. Die Forscher vermuteten aber schon damals, dass es sich um ein Walfangschiff aus Europa oder Nordamerika handeln könnte – dafür sprachen auch zwei im Meeressediment gefundene eiserne Kessel, wie sie früher von den Walfängern verwendet wurden.

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Wrack 2
Ignacio Mundo beim Vermessen des Schiffswracks. © Mónica Grosso

Jetzt hat ein Team um Ignacio Mundo vom argentinischen Labor für Dendrochronologie sich des Wracks noch einmal angenommen. Für ihre Studie verglichen sie die Jahresringe von Proben der Holzplanken und Balken mit denen in großen Jahresring-Katalogen, darunter auch dem North American Drought Atlas, einer Datenbank am Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University in New York. In ihr haben Forscher Jahresringdaten von mehr als 30.000 amerikanischen Bäumen aus den letzten 2000 Jahren zusammengetragen.

Jahresringdaten helfen bei Identifizierung

Die Analysen des Holzes aus dem Schiffswrack ergaben, dass die Balken aus dem Holz der Amerikanischen Weißeiche bestanden und wahrscheinlich aus dem Nordosten der USA stammten. Die Planken waren dagegen aus Sumpfkiefernholz gefertigt, die im Südosten der USA häufig vorkamen. Wie die Archäologen berichten, zeigen die Jahresringdaten, dass die Eichen für die Schiffsbalken im Jahr 1849 in Massachusetts gefällt worden sind – rund ein Jahr vor der Fertigstellung der „Dolphin“ in Rhode Island. Das Kiefernholz der Planken stammte hingegen von Bäumen in Alabama und Georgia – aus Regionen, die damals große Mengen an Sumpfkiefernholz zu den Werften im Nordosten der USA exportierten.

Zusammengenommen legt dies nahe, dass es sich bei dem Wrack in Patagonien um einen um 1850 in Neuengland gebauten Walfänger handelt – wahrscheinlich die lange vermisste Dolphin. „ich kann zwar nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es genau dieses Schiff ist“, sagt Mundo. „Aber die Analyse der Baumringe macht es sehr wahrscheinlich.“ Nach mehr als 150 Jahren ist das Walfangschiff damit wiedergefunden – rund 16.000 Kilometer von seinem Heimathafen entfernt. „Es ist faszinierend, dass Menschen dieses Schiff einst in Neuengland bauten, und jetzt taucht sein Wrack auf der anderen Seite der Welt wieder auf“, sagt Coautor Mukund Rao von der Columbia University.

Quelle: Columbia Climate School; Fachartikel: Dendrochronologia, doi: 10.1016/j.dendro.2022.125980

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