In einem Horus-Tempel in Oberägypten haben Archäologen eine Sphinx-Statue aus römischer Zeit entdeckt. Nach Angaben des ägyptischen Antikenministeriums zeigen die Gesichtszüge dieser Löwenstatue mit Menschenkopf große Ähnlichkeit mit denen des römischen Kaisers Claudius. Dieser war in seiner Regierungszeit auch Herrscher über die damals römische Provinz Ägypten. Ob die Statue tatsächlich den Kaiser darstellte und wie sie in den Tempel kam, könnte eine Tafel mit Schriftzeichen verraten, die nahe der Sphinx gefunden wurde.
In der ägyptischen Kunst und Mythologie galten Sphingen als halbgöttliche Schutz- und Wächterfiguren. Die ägyptische Bezeichnung „Hu“ für diese Mischwesen aus Löwenkörper und Menschenkopf steht für „geistiges Vermögen“ und könnte auf die als überlegen geltende Kombination aus tierischer Kraft und menschlichem oder göttlichem Geist hindeuten. Ägyptische Pharaonen ließen sich oft als Sphinx darstellen, um ihre besondere Beziehung zu den Göttern zu unterstreichen.
Lächelnde Sphinx im Tempelbecken
Eine Sphinx mit möglicherweise ungewöhnlichem Gesicht haben nun Archäologen unter Leitung von Mamdouh El-Damaty von der Ain-Shams-Universität in Oberägypten entdeckt. Das Team hatte Radarvermessungen und Ausgrabungen im rund 55 Kilometer nördlich von Luxor gelegenen Dendera-Tempel durchgeführt. Diese Tempelanlage wurde bereits in prädynastischer Zeit angelegt und war bis in die griechisch-römische Ära Ägyptens ein wichtiges Heiligtum. Der in der Antike errichtete Haupttempel war der Göttin Hathor geweiht, ein Nebengebäude war ein Geburtstempel der Göttin Isis.
Bei Untersuchungen östlich des Haupttempels waren El-Damaty und sein Team auf die Überreste eines spätägyptischen Horus-Tempels gestoßen. Dieser wahrscheinlich aus byzantinischer Zeit stammende Bau bestand aus zwei Ebenen mit einem Fundament und schrägen Böden, wie die Archäologen berichten. In einem aus Kalkstein gemauerten Wasserbecken dieses Tempels entdeckten sie die Statue einer aus Kalkstein gefertigten Sphinx. Ihr Kopf ist in ein Nemes-Kopftuch gehüllt, das zum Ornat der ägyptischen Pharaonen gehörte. Wie El-Damaty berichtet, zeigt das Gesicht der Sphinx einen leicht lächelnden Ausdruck mit Grübchen beiderseits des Mundes. Reste von gelber und roter Farbe deuten darauf hin, dass das Gesicht einst bemalt war.
Gesichtszüge des römischen Kaisers Claudius
Besonders interessant sind jedoch die Gesichtszüge dieser Sphinx: Nach Angaben der Archäologen ähnelt das Antlitz der Sphinx den Zügen des römischen Kaisers Claudius. Dies stellten sie durch Gesichtsvergleiche mit verschiedenen Herrschern der römischen Ära fest. Claudius regierte von 41 bis 54 über das römische Reich und herrschte damit auch über die damals römische Provinz Ägypten. Gesicht und Ornat der Sphinx könnten darauf hindeuten, dass diese Statue den Kaiser als ägyptischen Pharao ehren sollte. Eine solche Umwidmung war im antiken Ägypten keineswegs ungewöhnlich: Archäologen haben schon einige Darstellungen römischer Kaiser als Pharaonen gefunden, darunter eine Sphinx mit dem Gesicht von Vespasian und ein Relief im Isis-Tempel von Shenhur, das Claudius als Pharao zeigt.
Ob auch die jetzt entdeckte Sphinx tatsächlich das Gesicht des Kaisers Claudius trägt, ist allerdings noch nicht eindeutig bestätigt. Mögliche Hinweise auf die Identität des Dargestellten und die Hintergründe der Sphinx-Statue könnte eine Schrifttafel liefern, die Hieroglyphen und demotische Schriftzeichen trägt. Die Entzifferung der Inschriften ist nach Angaben des Ministeriums für Altertümer noch in Arbeit.
Quelle: Ministry of Tourism and Antiquities, Facebook-Mitteilung