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Eulen-Darstellungen aus Kinderhand?

Archäologie

Eulen-Darstellungen aus Kinderhand?
Links: Eine gravierte Schiefertafel aus der Kupfersteinzeit. Die Öffnungen im oberen Teil dienten möglicherweise zum Einführen echter Federn. Rechts ist eine Waldohreule mit aufgestellten Ohrbüscheln gezeigt. © Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-022-23530-0, Creative Commons Attribution 4.0 International License http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.

Vor rund 5000 Jahren könnten auf der Iberischen Halbinsel Kinder Eulen-Darstellungen aus Schiefertafeln angefertigt haben, die als Spielzeug sowie für rituelle Zwecke verwendet wurden. Auf der Grundlage von verschiedenen Hinweisen kommt ein Forscherteam zu dieser möglichen Erklärung für die zahlreich entdeckten Kunstobjekte, über deren Bedeutung schon lange gerätselt wird.

Was hatte es mit diesen seltsamen Darstellungen auf sich? Schon lange blicken Forscher fragend auf tausende gravierte Schieferplatten, die an verschiedenen Fundorten auf der Iberischen Halbinsel entdeckt wurden. Den Datierungen zufolge stammen sie aus der Kupfersteinzeit – aus einem Zeitfenster vor 5500 bis 4750 Jahren. Die typischerweise handtellergroßen Tafeln sind mit geometrischen Mustern graviert – meist sind zumindest ein Kopf, zwei Augen und ein Körper erkennbar. Viele besitzen zudem zwei Löcher an der Oberseite. Viele dieser Tafeln wurden in Gräbern, aber auch in einfachen Gruben entdeckt und lagern heute in verschiedenen Museen vor allem in Spanien und Portugal.

Darstellungen stilisierter Eulen

Einige Forscher sahen in den Tafeln Objekte, die religiösen und/oder symbolischen Zwecken dienten. Sie könnten etwa Verstorbene dargestellt haben oder es handelte sich um anthropomorphe Idole einer Göttin. Da die Objekte mit unterschiedlicher Komplexität angefertigt wurden, sind unterschiedliche Interpretationen des Dargestellten möglich. Bei einigen scheinen sich allerdings deutlich die Merkmale einer Eule abzuzeichnen. Dies führte bereits zu der Vermutung, dass es sich zumindest bei einem Teil der iberischen Tafeln um Darstellungen einer Muttergöttin handelte, die stilisiert als Eule dargestellt wurde. Diese Eulen-Interpretation haben nun die Forscher um Juan Negro vom Forschungsinstitut Estación Biológica de Doñana in Sevilla erneut aufgegriffen und neu gedeutet. Für ihre Studie beurteilten sie zahlreiche Plaketten und bewerteten sie dabei danach, wie viele von sechs typischen Körpermerkmalen von Eulen in den Darstellungen erkennbar waren.

Dabei wurde deutlich, dass es sich bei vielen Tafeln offenbar tatsächlich um Abbildungen der charismatischen Vögel in unterschiedlichen Abstraktionsgraden handelt. Vergleiche mit der einheimischen Vogelwelt ergaben, dass sie wohl vor allem zwei in der Region häufig vorkommenden Arten nachempfunden sind: dem Steinkauz (Athene noctua) und der Waldohreule (Asio otus). Was die zwei kleinen Löcher betrifft, die einige Platten an der Oberseite aufweisen, vermuten die Forscher eine andere Funktion, als bisher vermutet wurde: Diese Löcher scheinen eher nicht für eine Schnur zum Aufhängen der Plakette gedacht gewesen zu sein, denn sie weisen nicht die dafür zu erwartenden Abnutzungsspuren auf. Stattdessen spekulieren die Wissenschaftler, dass Federn durch die Löcher gesteckt wurden, um die auffälligen Büschel darzustellen, die auf dem Kopf der Waldohreule sitzen.

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Selbstgebastelte Spielzeuge?

Wie die Wissenschaftler berichten, erinnerten sie einige der Darstellungen an Bilder, die von Kindern stammen. Dieser Spur gingen sie genauer nach: Die Autoren verglichen die Tafeln mit zahlreichen Eulenbildern, die von heutigen Kindern im Alter von 4 bis 13 Jahren gezeichnet worden waren. Dabei stellten sie charakteristische Ähnlichkeiten zwischen den modernen und jahrtausendealten Darstellungen fest. Dabei zeigte sich, dass Kinder mit zunehmendem Alter mehr Details von Eulen in ihre Abbildungen integrieren. Diese Abstufung könnte sich in dem unterschiedlichen Abstraktionsgrad der Eulen-Tafeln widerspiegeln. Vielleicht haben also Kinder die Tafeln in spielerischer Weise hergestellt, so die Vermutung.

Die Herstellung der Schiefertafeln war außerdem einfach und erforderten weder hohe Fertigkeiten noch intensive Arbeit, argumentieren die Forscher. Denn die Art, wie der in der Region vielerorts zu findende Schiefer abblättert, ergibt bereits oft eine Eulenform. Um andere Tiere erkennbar darzustellen, bedurfte es hingegen zusätzlicher Schnitzfähigkeiten. Möglicherweise bot sich das Motiv also auch rein praktisch an. Zudem ist bekannt, dass Eulen durch ihre ähnlich wie bei uns nach vorne gerichteten Augen Menschen seit Jahrtausenden fasziniert und zu Kunst animiert haben.

„Wir stellen die Hypothese auf, dass die eulenähnlichen Schiefertafeln sowohl bei spielerischen Aktivitäten als auch bei rituellen Zeremonien verwendet wurden“, schreiben die Wissenschaftler. Möglicherweise könnten die selbstgemachten Kunstwerke demnach wie Puppen verwendet worden sein. Dass die Objekte häufig in Gräbern gefunden wurden, ist dabei kein Widerspruch, betonen die Forscher: „Die Grenze zwischen Spiel und Ritual kann fließend sein.“ So ist etwa denkbar, dass die Spielzeuge verstorbenen Gruppenmitgliedern bei Begräbniszeremonien gewidmet wurden. All dies ist natürlich spekulativ und die tatsächliche Bedeutung und die Hersteller der Tafeln lässt sich nach wie vor nicht klären. Doch zumindest verdeutlicht die Studie, dass für manche Spuren aus der Vergangenheit auch „besondere“ Erklärungen infrage kommen.

Quelle: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-022-23530-0

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