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Gnadengesuche an den „milden Monarchen“

Geschichte|Archäologie

Gnadengesuche an den „milden Monarchen“
Screenshot der Internet-Seite des DFG-Projekts zu Rudolf II. (Foto: DFG/FWF-Projekt / GAMS)

Obwohl der Kaiser mit hochwichtigen Geschäften – das Reich und die ganze Christenheit betreffend – beladen, zwingt Not dennoch dazu, ihn um Erteilung von Recht und Gerechtigkeit anzurufen“, heißt es in einem Bittbrief an Kaiser Rudolf II. (1576– 1612) aus dem aus dem Jahr 1602. Der Absender war in Nürnberg in Arrest genommen worden, nachdem er beim Schlichtungsversuch eines Streites angegriffen worden und ihm der Kontrahent dabei „in sein Rapier [Schwert] gelaufen“ sei. Der Autor des Briefes meint jedoch, in Notwehr gehandelt zu haben und bittet um Aufhebung der Haft.

Gnadengesuche waren zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen eine häufig praktizierte Form der Kommunikation. Kaiser Rudolf II. erhörte diese mitunter auch ohne genauere Prüfung des jeweiligen Sachverhalts. Forscher der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Karl-Franzens-Universität Graz untersuchen nun solche Bittschreiben. Um die Rechts- und Gnadengewalt Kaiser Rudolfs II. einschätzen zu können, erstellen die Wissenschaftler eine Online-Datenbank: In dieser können die Original-Schreiben und zusätzlich Begleitinformationen eingesehen werden. So zum Beispiel die kaiserlichen Reaktionen auf die Gnadengesuche und die daraus resultierenden Auswirkungen für die jeweiligen Bittsteller.

„Die Anliegen der Untertanen spiegeln alle Problemlagen des damaligen Alltags wider: Sie umfassen Bitten um Verleihung eines Privilegs für ein Gewerbepatent, die Legitimierung unehelicher Kinder, Beschwerden über die Obrigkeit bis hin zu Problemen bei der Einbringung von Schulden“, erklärt Sabine Ullmann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Gemeinsam mit ihrer österreichischen Kollegin Gabriele Haug-Moritz von der Universität Graz untersucht sie noch bis 2015 die so genannten Untertanensuppliken am Reichshofrat unter Kaiser Rudolf II.

Das lateinische Wort „supplicare“ bezeichnet eine flehentlich mit Kniefall vorgetragene Bitte um Gnade, die sich vom antiken römischen Kaiserkult ableitet. Aus allen Schichten der Gesellschaft wandten sich die Untertanen an Kaiser Rudolf II. Dieser ließ die Suppliken entweder durch den Reichshofrat bearbeiten oder nahm sich ihrer sogar persönlich an. Rund 8000 solcher Verfahren sind im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien überliefert, knapp die Hälfte davon stammt von Untertanen. Für ihre Recherchen ziehen die Forscher unter anderem die Überlieferungen geistlicher und weltlicher Herrschaftsträger in Franken, Schwaben und Altbayern zu Rate. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Österreichischen Wissenschaftsfond (FWF) gefördert.

Suppliken sind ein bislang kaum beachteter Baustein der politischen Ordnung im Reich. Die Forscher wollen mit diesem Projekt zum einen den narrativen Strategien der Bittsteller nachgehen. Zum anderen will das Projekt einen Beitrag zum besseren Verständnis des Reichshofrats leisten: Ursprünglich als kaiserliches Beratungsgremium entstanden entwickelte sich dieser zunehmend zu einem der höchsten Gerichte, das gleichzeitig auch Verwaltungsorgan für die kaiserliche Gnadengewalt war.

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Quelle: Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
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