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Götter, Götzen und Idole

Faszinierende Figuren: Norbert Lammert über Thomas Morus

Götter, Götzen und Idole

Anhand von rund 180 Figuren fragt die Ausstellung „Götter, Götzen und Idole“ nach den Menschenbildern der frühen Hochkulturen. Die Figuren – gefertigt zwischen 5000 v. Chr. und 300 n. Chr. aus unterschiedlichsten Materialien wie Ton, Stein, Marmor, Alabaster, Bronze und Edelsteinen – stammen aus dem Vorderen Orient, aus Ägypten, Jemen, Griechenland, Italien und Norddeutschland und faszinieren durch ihre meist starke Stilisierung und Abstraktion. Sie stellen Götter, Menschen oder Tiere dar und stehen – reduziert auf wenige charakteristische Eigenheiten – für wichtige Lebensinhalte der frühen Menschen. Die Figuren hatten oft eine magische oder spirituelle Funktion, dienten als Talismane, Fruchtbarkeitssymbole, Weihe- oder Grabbeigaben.

Lange als minderwertige Kunstobjekte und in der christlichen Tradition als unerwünschte Götzenbilder angesehen, wurden sie für zahlreiche Künstler der Moderne wie etwa Pablo Picasso und Amedeo Modigliani eine wichtige Inspiration und Anlass für neue Ansätze in der Kunst. Nach der Wiederentdeckung der antiken Kunst in der Renaissance erwachte auch erste das wissenschaftliche Interesse an den geheimnisvollen Götterfiguren und Idolen. Was erzählen die Figuren über das Leben und das Weltbild der Menschen in antiken Kulturen, über die Urformen von Kult und Religion und über das Bestreben der Menschen, Ideen und Wünschen eine Gestalt zu geben? Über die Gründe für ihre Entstehung und ihre Bedeutung und Funktion im kultischen Brauchtum rätseln Wissenschaftler noch heute. Die Ausstellung folgt den Spuren ihrer Entdeckung und Erforschung und der spannenden Suche nach den Ursprüngen der Kunst. Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Winckelmann-Museum Stendal.

Seit der Altsteinzeit schuf der Mensch meist kleinformatige, abstrakte, stilisierte Figuren nach seinem Vorbild, die in der Wissenschaft seit dem 19. Jahrhundert als „Idole“ bezeichnet werden. Die Bezeichnung „Idol“ leitet sich vom griechischen und römischen eidolon/idolum ab und bezeichnet ein Bild oder Abbild von etwas. Erstmals in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. bei Homer in Ilias und Odyssee erwähnt, sind die Idole dort Schattenbilder, die die Seele eines Ver¬storbenen in der Unterwelt darstellen. Herodot, Vater der Geschichtsschreibung, bezeichnet im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinen Historien erstmals eine weibliche Votiv¬figur im Heiligtum von Delphi als Idol im Sinne eines Abbildes.

Waren mit Beginn der Renaissance in Rom große Antikensammlungen entstanden, wurde das Interesse in Mittel- und Nordeuropa durch die 1531 im Kloster Hersfeld entdeckte antike Schrift Germania des Tacitus aus der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts n.Chr. geweckt. In diesem Zusammenhang wuchs auch das Interesse an germanischer und slawischer Mythologie. Als Quellen standen zunächst nur die Berichte und Notizen in Chroniken zur Verfügung, was zu fantasiereichen Bildentwicklungen und zur Erfindung von Götzen führte.

Im 18. Jahrhundert setzte allmählich eine wissenschaftliche Erforschung der Idole und Götzenbilder ein. Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), der als Begründer der modernen Archäologie gilt, hat sich in seiner Geschichte der Kunst des Alterthums 1764 ausführlich mit dem Ursprung und den Anfängen der Kunst befasst. Im Mittelpunkt stand für ihn dabei das ureigene Interesse der Menschen, sich ein Abbild zu schaffen bzw. sein Umfeld bildlich darzustellen.

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Diese Überlegungen bereiteten den Boden für eine gezielte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Idol und Götzenbild“. Als um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erstmals Kykladen-idole auftauchten, wurden diese zunächst nur gering geschätzt. Johannes Overbeck bezeichnete sie 1857 in der Abhandlung Geschichte der griechischen Plastik noch als „kleine Scheusale aus Marmorsplittern“ – ein Passus, der in der zweiten Auf¬lage bereits entfernt wurde. Erst um 1900 entwickelte sich eine andere Sichtweise auf diese frühen Menschen- der Götterbilder. Wie umfangreich dieser Wan¬del und das künstlerische Interesse schließlich waren, zeigt sich in der Klassischen Moderne: Picasso schätzte die Kykladenidole aufgrund ihrer gelungenen Formen und ihrer Abstraktion höher als Skulpturen des rumänisch-französischen Bildhauers Brancusi (1876-1957), der neben Auguste Rodin die Skulpturen des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusste.

In Nordeuropa gab es durch nur wenige gesicherte Fundkontexte zahlreiche gefälschte Götzenbilder. Besonders bemerkens¬wert ist die Grup¬pe der Prillwitzer Idole: Jacob und Gideon Sponholz lockten zwischen 1770 und 1800 mit einer vermeintlichen slawischen Götterfigur – in Wahrheit ein mittelalterlicher Bronzelöwe, den sie mit einer Runeninschrift versehen hatten – potentielle Käufer zahlreicher von ihnen ge-schaffener Idole an. Erst 1834 gelang der Nachweis der Fälschungen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts traten auch in Mittel- und Nordeuropa Fragen der Systematisierung und Erfassung aller Funde in den Vordergrund. Im Verlauf des Jahrhunderts, als sich durch die Ausgrabungen die Materialbasis vergrößerte, verlor der Begriff „Idol“ zunehmend seinen abwertenden Charakter.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Franz Rutzen, Ruhpolding und Mainz, mit wissenschaftlichen Beiträgen von Stephanie-Gerrit Bruer, Max Kunz, Nadine Prescher und Gérard Seiterle, 188 Seiten, 236 Abbildungen, davon ca. 200 in Farbe.

Quelle: Michaela Hille
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