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„Gold“ im Unteren Belvedere

Geschichte|Archäologie

„Gold“ im Unteren Belvedere
Emil Orlik, Japanischer Garten, 1901-1902, Tempera und Goldbronze auf Papier (?), Seide

Noch bis zum 17. Juni 2012 widmet sich die Ausstellung „Gold“ im Unteren Belvedere in Wien dem Einsatz dieses Edelmetalls in der Kunst. Anhand von rund 200 Werken von 125 Künstlern führt die umfassende Schau in den Räumen des Unteren Belvedere, der Orangerie und des Prunkstalls die verschiedenen künstlerischen Einsatzmöglichkeiten des glänzenden Metalls vor Augen. Seit dem Mittelalter haben zu keiner Zeit so viele Künstler mit Gold gearbeitet wie heute. Zu sehen sind bekannte Beispiele und zahlreiche Neuentdeckungen, darunter Arbeiten von Stephan Balkenhol, Georg Baselitz, Willi Baumeister, William Blake, James Lee Byars, Sylvie Fleury, Richard Hamilton, Yves Klein, Imi Knoebel, Emil Orlik, Gerhard Richter, Gerwald Rockenschaub, Giandomenico Tiepolo, Victor Vasarely, Andy Warhol und Franz West.

Seit jeher übte Gold eine große Faszination auf die Menschen aus. Als sonnengleiches Lichtsymbol spielte es in allen Hochkulturen eine bedeutende Rolle und wurde als Material der Götter, der Herrscher und des Adels eingesetzt. Die Gier nach dem Metall war aber auch Grund für Kriege, Plünderungen und Eroberungen. Bis heute wird es in Krisenzeiten als stabile Wertanlage angesehen.

In der Kunstproduktion wurde Gold besonders im Mittelalter häufig verwendet, danach verschwand es für Jahrhunderte fast vollständig aus der bildenden Kunst. Erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen viele Künstler wieder mit Gold arbeiten. Dazu Ausstellungskurator Thomas Zaunschirm: „Bis vor wenigen Jahren war praktisch unbekannt, dass in der Gegenwart mehr Künstler mit dem Edelmetall arbeiten als in den Jahrhunderten nach dem Mittelalter. Dabei ist überraschenderweise festzustellen, dass dies viele Künstler als Tabubruch empfinden. Sie sind an Vorwürfe gewöhnt, die vom kunstgewerblichen Kitsch über das Dekorative bis zum Elitär-Traditionellen reichen. Der Reiz des Materials liegt in einer Polarität von unmittelbarer Gegenwärtigkeit und assoziationsreicher historischer Reflexion. Die überraschende, nie zuvor gezeigte Vielfalt ästhetischer Positionen zwingt auch zu einer Revision der kunsthistorischen Forschung zum Goldgrund. Die beliebten Dogmen von der Sakralität und der Spiritualität des wertvollen Materials sind unhaltbar und haben sich als Erfindung des 20. Jahrhunderts entpuppt.“

Das Belvedere eignet sich ganz besonders als Ausstellungsort für diese umfassende Präsentation zum Thema Gold, wie Direktorin Agnes Husslein-Arco betont, „nicht nur weil sich die Verwendung von Gold wie ein roter Faden durch die verschiedenen Sammlungsbereiche und die Architektur der Belvedere-Schlösser zieht, sondern auch weil in der Schau traditionelle Erscheinungsformen mit zeitgenössischer Kunst konfrontiert werden“.

Der erste Teil der Ausstellung im Unteren Belvedere thematisiert die historische Verwendung des Goldgrundes mittels beispielhafter Exponate und präsentiert im Anschluss die Bandbreite des zeitgenössischen Einsatzes von Gold anhand von Themenschwerpunkten: Rahmen, Landschaft, Stillleben und sakrale Formen.

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Die frühesten bekannten Goldgründe finden sich in Mumienporträts aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Im Schatzhaus Mittelalter im Prunkstall wird der Einsatz von Gold ab dem 14. Jahrhundert eindrucksvoll vor Augen geführt. Mittelalterlichen Altarwerken werden dabei zeitgenössische Arbeiten von u. a. Jan Fabre und Gajin Fujita gegenübergestellt. Mit der beginnenden Renaissance und dem sich wandelnden Fokus auf den Menschen und die Natur wurde der Goldgrund für Jahrhunderte aus der Malerei verbannt. Im 17. Jahrhundert wurde wie in Frans von Mieris’ d. Ä. Der Besuch des Arztes ein unsichtbarer Goldgrund verwendet, unter der Malschicht verborgen sollte er den kupfernen Bildträger vor chemischen Reaktionen mit den Ölfarben schützen. Die erstmalige Verwendung von Gold in der neuzeitlichen Malerei dokumentieren die Bilder von Giandomenico Tiepolo. Hier diente das Metall zur Imitation von skulpturalen Denkmälern. Im 19. Jahrhundert führte das Interesse am Mittelalter zu einer Wiederkehr des Goldgrundes und zu einem vorerst letzten Höhepunkt im Einsatz von Gold um 1900. Allerdings herrschten dabei meist Ersatzmaterialien wie Schlagmetall und Goldfarbe vor. Die Avantgarden des 20. Jahrhunderts ächteten das Gold zunächst. Erst seit den 1950er-Jahren wird das Edelmetall in der künstlerischen Produktion wieder zunehmend verwendet: Richard Hamiltons The „Gold“ Guggenheim von 1965 etwa zeigt die Architekturikone in Anlehnung an Kultobjekte ganz in Gold.

In der zeitgenössischen Kunst unterliegt die Verwendung von Gold keinen inhaltlichen, formalen oder stilistischen Grenzen. Abstrakte, surrealistische und realistische Werke finden sich ebenso wie Gemälde, Skulpturen, Reliefs und Objekte. Das Gold hat sich zudem Areale erobert, in denen sein Einsatz in früheren Epochen undenkbar war. Manche Künstler, wie Bruno Gironcoli, Imi Knoebel, Oswald Oberhuber oder Erwin Wurm, haben jeweils nur eine Arbeit mit Gold geschaffen, bei anderen, wie Yves Klein, James Lee Byars oder Yoko Grandsagne, zieht sich das Edelmetall durch das gesamte OEuvre. Der Rahmen wurde in der Neuzeit zum dekorativen Fluchtraum für das Gold. Heute lösen Künstler den Bild-Rahmen-Gegensatz bewusst auf und machen, wie Josef Kern, den Rahmen zum Träger von Inhalten oder, wie Christian Eckart, zum Thema selbst. Der bulgarische Künstler Nedko Solakov geht einen Schritt weiter und lässt das Gold vom Rahmen zurück auf die Bildfläche fluten, Rahmen und Bild werden damit zu einer untrennbaren Einheit.

Der Goldgrund wird heute auch in Bildgattungen eingesetzt, in denen er früher undenkbar war. Im Stillleben erhöht das edle Material die Bedeutung des dargestellten Motivs und nobiliert etwa die „tote Natur“ von Robert Ginder und Fred Wessel. Oder es bringt ökologisches Engagement, Ironie und die Vergänglichkeit zum Ausdruck, wie in Mary Frances Dondelingers Ikonenbildern von bedrohten Tier- und Pflanzenarten, Pam Burnley-Schols Transfiguration: Cabbage and Steel, Milan Kuncs Vitamin Attack oder Marc Quinns Vanitas-Stillleben.

Die perspektivische Darstellung von Landschaft und Architektur ersetzte einst den Goldgrund. In der zeitgenössischen Kunst verschließt das Gold die Tiefe der Bildräume. Geschaffen werden spannungsgeladene Bilder: historische Erinnerungen an das Trecento und die japanische Tradition oder surreale Tagträume und topografische Ansichten.

Ein weiterer Themenraum ist den sakralen Formaten gewidmet. In Anlehnung an Triptychen und Nimben huldigen zeitgenössische Künstler mit ihren Werken den Helden und Göttern der Gegenwart, wie etwa Peter Murphy den Popstars Kurt Cobain und Jimi Hendrix oder Barkley Hendricks dem legendären Begründer des Afrobeat Fela Kuti.

In der Orangerie wird das reiche Spektrum der goldbestückten Kunst der Moderne und der Gegenwart anhand einer Gegenüberstellung von Werkgruppen zu den Themen Schrift, Figuration und Abstraktion präsentiert.

Das Thema Gold wird dem Ausstellungsbesucher auch auf anderen Ebenen nahegebracht: Der Wiener Gold Guide etwa bietet Ausblicke auf den Einsatz des Edelmetalls im Stadtraum. Ein vom Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien gestalteter Raum demonstriert die verschiedenen Vergoldungstechniken. Der Wert von Gold wird in einer Arbeit von Johannes Angerbauer-Goldhoff thematisiert: Mit Social Gold Kiss fordert der Künstler den Besucher auf, über mit Blattgold versehene Bodenschwellen zu gehen oder anders gesagt das Gold mit Füßen zu treten.

Im Katalog zur Ausstellung nehmen renommierte Autoren eine Revision der kunsthistorischen Goldforschung vor und stellen verbreitete Vorurteile über die Bedeutung des Goldes in Frage.

Quelle: Belvedere
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