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Größte Sammlung von Keilschrifttexten digitalisiert und veröffentlicht

Babylonisches Kulturerbe

Größte Sammlung von Keilschrifttexten digitalisiert und veröffentlicht
Keilschrifttafel
Eine Tafel mit einem babylonischen Textfragment in Keilschrift. © LMU

300.000 Textzeilen aus dem alten Mesopotamien, darunter zuvor unbekannte Versionen des Gilgamesch-Epos und ganz neue Textarten, werden nun erstmals digital und öffentlich zugänglich. Es ist die bislang größte Textveröffentlichung in der Geschichte der Keilschriftstudien. Möglich wird sie, weil ein Team von Altorientalisten die Fragmente von babylonischen Keilschrifttafeln mithilfe eines KI-Systems digitalisiert, virtuell zusammengefügt und als Text lesbar macht. Mehr als 22.000 dieser Fragmente sind in der digitalen Sammlung bereits zugänglich.

Als vor mehr als 4.000 Jahren die ersten babylonischen Städte im Gebiet zwischen Euphrat und Tigris entstanden, hielten die Babylonier ihre Geschichte, Legenden und religiösen Vorstellungen in Keilschrift auf Tontafeln fest. Diese Texte geben einen einzigartigen Einblick in das Denken, Fühlen und Glauben der Menschen im alten Mesopotamien. Doch im Laufe der Jahrtausende sind die meisten dieser Keilschrifttafeln in viele Fragmente zerbrochen. Welche Bruchstücke zusammengehören und welche Texte sich aus dem Ensemble ergeben, ist heute oft kaum noch feststellbar.

Puzzle aus Keilschrifttafel-Fragmenten

Um aus den Keilschrift-Fragmenten schlau zu werden, mussten Wissenschaftler sie bisher erst mühsam abzeichnen, dann versuchten sie durch Vergleich verschiedener Stücke zu erkennen, welche zusammengehören. Erschwert wird dies dadurch, dass die mesopotamischen Texte in zwei verschiedenen, komplizierten Schriftsprachen verfasst wurden, dem Sumerischen und dem Akkadischen. Selbst von der berühmtesten Heldensaga der babylonischen Literatur, dem Gilgamesch-Epos, sind nur Bruchstücke erhalten. Erst rund zwei Drittel des Textes sind inzwischen lesbar gemacht.

Doch nun kommt modernste Digitaltechnik den Altorientalisten und Sprachwissenschaftlern zu Hilfe: Im Projekt „Electronic Babylonian Literature“ arbeitet ein Team unter Leitung von Enrique Jiménez, Professor für altorientalische Literaturen an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), daran, den Bestand babylonischer Keilschrifttexte mithilfe der künstlichen Intelligenz zu digitalisieren und zusammenzufügen. Dafür wurden bisher bereits mehr als 22.000 Tafelfragmente fotografiert. Ein lernfähiger, speziell trainierter Algorithmus liest dann die Zeichen aus und sucht nach möglicherweise zusammenpassenden Textstellen.

„Fragmentarium“ macht Keilschrifttexte zugänglich

Alle digitalisierten Keilschrift-Fragmente werden in einer digitalen Datenbank, dem „Fragmentarium“, gesammelt und für die Forschung zur Verfügung gestellt. „Es ist ein Werkzeug, das zuvor nie existiert hat, eine riesige Datenbank von Fragmenten“, sagt Jiménez. „Wir glauben, dass sie wesentlich für die Rekonstruktion der babylonischen Literatur ist, bei der wir nun viel schneller vorankommen können.“ Das KI-System hat schon jetzt Hunderte von Manuskripten identifiziert und viele textliche Verbindungen erstellt. Unter ihnen war auch ein Textstück aus dem Gilgamesch-Epos, das erst gegen 130 vor Christus entstand – diese Abschrift ist damit Tausende Jahre jünger ist als die älteste bekannte Fassung. Es sei sehr interessant, dass man in dieser späten Periode noch immer Gilgamesch kopiert hat, so Jiménez.

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(Video: LMU)

Im Februar 2023 wird das Forschungsteam das Fragmentarium und eine erste digitale Edition von babylonischen Texten veröffentlichen, die auf Basis der Datenbank entstanden sind. Es wird die erste Edition sein, die alle bislang bekannten Abschriften von Keilschrift-Fragmenten beinhaltet. Mit rund 300.000 Textzeilen sowie digitalen Gesamtausgaben bedeutender Texte der babylonischen Literatur ist es zudem die bisher größte Textveröffentlichung in der gesamten Geschichte der Keilschriftstudien. Zu der Online-Plattform soll neben Wissenschaftlern nun auch die Öffentlichkeit Zugang haben. „Jeder wird mit dem Fragmentarium spielen können. Es gibt Tausende Fragmente, die noch nicht identifiziert sind“, sagt Jiménez.

Der Altorientalist und sein Team hoffen, dass sie mit ihrem Projekt die Erforschung dieses kulturellen Welterbes voranbringen können. „Bei der Erforschung der babylonischen Literatur gibt es so viel zu tun. Die neuen Texte, die wir entdecken, helfen, die Literatur und Kultur Babyloniens als Ganzes verstehen zu lernen“, sagt Jiménez. „Die Fragen, die die Babylonier sich gestellt haben, sind nicht beliebig. Sie beschäftigen auch uns.“

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München; Projekt „Electronic Babylonian Literature

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