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Heiliger Baal-Teich statt Binnenhafen

Sizilien

Heiliger Baal-Teich statt Binnenhafen
Motya
Ausgrabungen an der Umgrenzungsmauer des Tempelbezirks von Motya. © Sapienza University of Rome Expedition to Motya/ Antiquity, CC-by-nc-nd 4.0

Seit fast hundert Jahren galt ein im sizilianischen Motya ausgegrabenes Wasserbecken als Relikt eines phönizischen Binnenhafens, eines sogenannten Kothon. Doch jetzt legen neue Ausgrabungen nahe, dass das Becken mitten in einer Tempelanlage für den Gott Baal lag und keine Verbindung zum Meer besaß. Stattdessen stand in seiner Mitte wahrscheinlich eine Baalsstatue. Damit könnte der gut 2500 Jahre alte Bau eines der größten heiligen Becken des präklassischen Mittelmeerraums gewesen sein.

An der Westküste Siziliens liegt inmitten einer geschützten Lagune die kleine Insel San Pantaleo, früher Motya. Wegen ihrer strategisch günstigen Lage siedelten auf ihr schon ab der Bronzezeit Menschen und nutzten die reichen Fischbestände als Nahrung und die Lagune als geschützten Hafen. Mit Beginn des achten Jahrhunderts vor Christus erreichten phönizische Siedler die Insel und entwickelten Motya zu einer wichtigen Hafenstadt mit Handelsbeziehungen im gesamten zentralen und westlichen Mittelmeerraum. Das brachte Motya in Konflikt mit Karthago und mündete in einen Krieg, in dem Motya im 6. Jh. vorübergehend zerstört, dann aber größer und stärker befestigt wieder aufgebaut wurde.

Wasserbecken gibt Rätsel auf

Schon Anfang des 20. Jahrhunderts stießen Archäologen auf die Überreste der phönizischen Stadt und gruben unter anderen eine Stadtmauer, Relikte von Tempeln und eines Hafens aus. Im Süden Motyas wurden zudem die Reste eines rechteckigen, gut 52 Meter langen und 37 Meter breiten Beckens gefunden. Weil sich an einem Ende dieses Beckens ein Kanal bis zum Meer zu erstrecken schien, interpretierten Archäologen es damals als sogenannten Kothon. „Der Begriff Kothon wurde von griechischen und lateinischen Quellen verwendet, um den Militärhafen von Karthago zu beschreiben“, erklärt Lorenzo Nigro von der Sapienza Universität Rom. Dabei handelte es sich um einen künstlich angelegten Binnenhafen in der phönizischen Stadt.

Wegen der Ähnlichkeit zum karthagisch Kothon galt auch das Becken von Motya nach bisherigen Lesart als ein solcher Binnenhafen. In den letzten 20 Jahren haben jedoch Archäologen der Sapienza Universität um Nigro das Gebiet um das vermeintliche Hafenbecken weiter erforscht und ausgegraben und dabei zahlreiche Funde gemacht, die nicht zu dieser früheren Interpretation passen. So ergeben Datierungen, dass der vermeintliche Verbindungskanal zum Meer erst von den Römern und damit lange nach der phönizischen Ära angelegt wurde. Zuvor wurde das Becken nur durch drei Süßwasserquellen gespeist, wie das Team berichtet.

Motya-Plan
Anlage von Motya im Überblick. © Sapienza University of Rome Expedition to Motya/ Antiquity, CC-by-nc-nd 4.0

Zentrum eines phönizischen Kultkomplexes

Noch entscheidender aber ist das Umfeld des Beckens von Motya: Die neuen Ausgrabungen enthüllten, dass es von gleich drei großen Tempelbauten umgeben war: Einem großen Baalstempel, der an der östlichen Längsseite des Beckens lag, einem Tempel der Astarte a der Nordseite und dem Tempel der heiligen Wasser an der nördlichen Längsseite. „Ausgrabungen von 2009 bis 2021 enthüllten zudem die Temenos-Mauer, eine 0,70 bis 1,50 dicke und drei Meter hohe Mauer, die den ‚Kothon‘ und die Tempel in einem kreisförmigen Areal von 118 Meter Durchmesser einschloss“, berichtet Nigro. Die Position der drei Tempel um das Becken, Rette von Altären, Stelen und Votivgaben sprechen nach Ansicht des Archäologen dafür, dass es sich hier um einen abgegrenzten Tempelkomplex der Phönizier handelte – „einen Ort de religiösen Aktivitäten, die den heiligen Wassern, dem Himmel und den damit assoziierten Göttern geweiht war“, so Nigro.

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Nach Ansicht des Forschers sprechen Umfeld und Anlage des Beckens dafür, dass es sich hier nicht um ein Kothon handelte, sondern stattdessen um ein heiliges, für rituelle Zwecke gebautes Becken. „Der Pool lag im Zentrum eines der größten Kultkomplexe des präklassischen Mittelmeerraums und diente wahrscheinlich ebenfalls kultischen Zwecken“, sagt Nigro. Reste einer Statue und eines steinernen Podests sprechen dafür, dass in der Mitte des Beckens einst eine große Baal-Statue stand. Angesichts der teilweise nach astronomischen Gesichtspunkten hin ausgerichteten Tempel und des Beckens könnte die Anlage den Phöniziern dabei geholfen haben, die Bewegung und Positionen von für sie wichtigen Sternbilder und Sternen zu beobachten, wie der Archäologe erklärt.

„Die Re-Interpretation des Kothon vom Motya machen diesen zu einem der größten und bestuntersuchten heiligen Becken des präklassischen Mittelmeerraums“, konstatiert Nigro. „Zusammen mit dem ‚Maabed‘ im syrischen Marit illustriert es die verschiedenen Funktionen und den vielseitigen Symbolismus von Kultinstallationen in der phönizischen Welt.“

Quelle: Antiquity, doi: 10.15184/aqy.2022.8

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